Kapitel 3. Nina Van Gorkom. Abhidhamma im Alltag


Citta - von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet


Buddha lehrte Wirklichkeiten. Unser eigenes Leben beweist die Richtigkeit seiner Lehre. Dennoch sind wir nicht fähig, die gewöhnlichsten Wirklichkeiten des täglichen Lebens zu erkennen:
die geistigen und körperlichen Phänomene, die durch Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper und in Gedanken erscheinen. Zeigen wir etwa mehr Interesse für die Vergangenheit? Wenn wir jedoch mehr über die Wirklichkeiten des jetzigen Augenblicks wissen und uns ihrer bewußt werden, wenn sie erscheinen, werden wir feststellen können, was Leben wirklich ist.

Buddha sprach oft über citta. Vielleicht zweifeln wir, ob citta wirklich ist. Wie können wir beweisen, daß es citta gibt? Könnte es sein, daß es nur körperliche Phänomene und keine geistigen Phänomene gibt? Es gibt so viele Dinge in unserem Leben, die wir für selbstverständlich halten, z.B. unser Heim, Mahlzeiten, Kleidung, die Werkzeuge, die wir tagtäglich gebrauchen. Alle diese Dinge erscheinen nicht durch sich selbst. Sie werden vielmehr durch den denkenden Geist, durch citta hervorgebracht.

Citta ist ein geistiges Phänomen. Es weiß, erkennt und erlebt etwas. Citta ist kein körperliches Phänomen, das nichts erlebt. Wir hören uns Musik an, die von einem Komponisten geschrieben wurde. Es war citta, das die Idee der Musik hatte und citta, das die Hand des Komponisten bewegte, um die Noten niederzuschreiben. Seine Hand hätte sich nicht ohne citta bewegen können.

Citta bringt viele verschiedene Leistungen zustande, es wirkt. Wir lesen im ' Atthasālini' (einem Kommentar zum Dhammasangani, einem Teil des Abhidhamma I, Teil II, Analyse der Begriffe, 64):

'Wieso ist der Geist, z.B. das Denken, fähig, durch seine Tätigkeit eine solche Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit an Leistungen zu produzieren? Keine Kunst der Welt ist farbenprächtiger als die Kunst des Malens. In der Malerei ist das Meisterstück des Malers kunstvoller als der Rest seiner Gemälde. Einem Maler von Meistergemälden fällt ein kunstreicher Entwurf ein, nach dem sein Gemälde so und nicht anders gemalt werden soll. Mit dem kunstreichen Plan beginnt die Tätigkeit des Geistes, die künstlerische Durchdringung, wodurch solche Dinge, wie Skizzieren der Umrisse, Auftragen der Farbe, Auffrischen und Verschönern ausgeführt werden. ... So werden alle Kunstarten der Welt im besonderen und im allgemeinen durch den Geist zustande gebracht. Der Geist, der infolge seiner Fähigkeit eine Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit an Wirkungen der Leistungen hervorbringt, ist selbst so kunstvoll wie die Kunst. Nein, er ist sogar noch künstlerischer, weil letztere nicht jeden Entwurf vollendet ausführen kann.

Aus diesem Grunde hat der Erhabene gesagt: „Mönche, habt ihr je ein Meistergemälde gesehen?" „Ja, Herr". „Mönche, das Meisterstück der Kunst ist vom Geist entworfen worden. Und in der Tat, Mönche, der Geist ist sogar kunstvoller als das Meistergemälde."(Samyutta Nikāya III, 151) 'Nein, mehr als das. Alle Faktoren dieses wechselhaften, empfindungsfähigen Organismus, wie Kamma, Carakterzüge, Meinungen, Sprache etc., das Schicksal von Geistern, Menschen, Bewohnern der Höllenebenen, von niedriger stehenden Tieren usw. wurden auch vom Geiste hervorgebracht. Gute und schlechte Handlungen der verschiedenen Taten, wie die der Nächstenliebe und Tugendhaftigkeit, der Grausamkeit und des Betruges etc. wurden vom Geiste vollbracht".


Citta bringt viele farbenprächtige Dinge zustande. Der Grund ist, daß es nicht nur eine Art von citta gibt, sondern eine Mannigfaltigkeit. Verschiedene Menschen haben verschiedene citta. Wir haben sicher schon gemerkt, wie sehr sich Menschen voneinander unterscheiden. Wenn zwei Personen planen, denselben Gegenstand herzustellen, unterscheiden sich die Ergebnisse voneinander. Zwei Menschen malen vielleicht denselben Baum. Das Gemalte ist jedoch in keinem Fall mehr das Gleiche. Die Ergebnisse sind verschieden, weil die citta verschiedenen sind. Menschen haben verschiedene Talente und Fähigkeiten, manche haben keine Schwierigkeiten mit ihrem Studium, wohingegen andere nicht studieren können. Menschen haben verschiedenen Geschmack. Was der eine mag, lehnt der andere ab. Sehen wir ein, wie verschieden citta voneinander sind? Jedes citta entsteht aufgrund seiner Bedingungen, es entsteht jenseits allen Zwanges.

Warum sind die Menschen so verschieden voneinander? Eben, weil sie verschiedene Gewohnheiten angehäuft haben. Sie haben verschiedene Erlebnisse im Leben gehabt. Dadurch werden verschiedene Neigungen angesammelt. Ein Kind, das von klein auf zum Geben erzogen wurde, häuft Freigebigkeit an. Menschen, die oft zornig werden, häufen viel Zorn an. Wir alle haben verschiedene Neigungen und verschiedene Geschmacksrichtungen angehäuft.

Wir alle sammeln unsere eigenen Neigungen oder Befleckungen an, in Pali: kilesa. Gier (lobha), Zorn, Haß (dosa) und Unwissenheit (moha sind kilesa.
Kilesa haben verschiedene Grade: schwache kilesa oder verborgene, latente Neigungen, mittelstarke kilesa und starke kilesa. Schwache kilesa zeigen sich nicht im citta, werden jedoch als verborgene Neigung im citta angesammelt. Während des Schlafes, wenn wir nicht träumen, entstehen keine akusala citta. Schwache kilesa sind aber als verborgene Neigung vorhanden. Wenn wir aufwachen, entstehen wieder akusala citta. Wieso können diese entstehen, wenn nicht kilesa in jedem citta angesammelt würden? Verborgene Neigungen zu kilesa befinden sich sogar in einem citta, das nicht akusala ist, und zwar solange, bis sie von Weisheit (paññā) getilgt werden.

Mittelstarke kilesa sind von feinen kilesa zu unterscheiden, da erstere mit citta entstehen. Mittelstarke kilesa entstehen in einem citta, das in lobha, dosa, moha wurzelt. Neigung zu dem, was man sieht, hört und durch den Tastsinn erfährt, sind z.B. mittelstarke kilesa. Ebenso die Abneigung gegen die Objekte, die erfahren werden.

Diese mittelstarken kilesa bedingen noch keine schlechten Taten. Starke kilesa bedingen jedoch unheilsame Taten (akusala kamma)durch den Körper, die Sprache und das Denken, wie Töten, Verleumden oder den Wunsch, zu stehlen.

Kamma (Absicht, Wollen, in Pali: cetana) ist ein geistiges Phänomen. Der Begriff 'kamma' steht auch für die Taten durch den Körper, die Sprache und das Denken, die durch Absicht oder Wollen motiviert werden. Kamma oder Absicht ist ein geistiges Phänomen und kann somit auch angesammelt (akkumuliert) werden.
Menschen sammeln verschiedene kilesa und verschiedene kamma an. Die verschiedenen Anhäufungen (Akkumulationen) von kamma bedingen die verschiedenen Resultate im Leben. Dies ist das Gesetz von kamma und vipāka, von Ursache und Wirkung. Wir wissen, daß Menschen in verschiedene Verhältnisse geboren werden. Manche leben in einer annehmbaren Umwelt, sie erleben viel Erfreuliches im Leben. Andere haben unangenehme Erlebnisse, sie sind arm und leiden durch Krankheiten. Wenn wir von unterernährten Kindern hören, fragen wir uns, warum sie leiden müssen, während andere alles zum Leben Notwendige erhalten.

Buddha lehrte uns, daß ein jeder in seinem Leben die Resultate seiner eigenen Taten empfängt. Eine in der Vergangenheit begangene Tat(kamma) kann ihre Wirkung später hervorbringen, denn kusala kamma und akusala kamma werden angesammelt. Wenn die rechten Bedingungen entstanden sind, wird das Resultat in Form von vipāka hervorgebracht. Der Gedanke an ein Resultat kann die Leute dazu führen, an die Konsequenzen ihrer Taten gegenüber anderen Menschen zu denken.

Resultat im Sinne von vipāka hat jedoch eine andere Bedeutung. Vipāka-citta ist ein citta, das etwas Angenehmes oder Unangenehmes erlebt. Dieses citta ist die Folge einer von uns selbst begangenen Tat. Wir sind daran gewöhnt zu glauben, ein 'Ich' erlebe unangenehme und angenehme Dinge. Es gibt jedoch 'im höchsten Sinne' kein 'Ich'. Es gibt nur citta, die verschiedene Dinge erleben. Einige citta sind Ursache: sie können gute und schlechte Taten motivieren. Andere citta sind bewirkte Folge oder vipāka. Sehen wir etwas Unangenehmes, ist es kein 'Ich', das sieht, sondern ein citta (Sehbewußtsein), das Ergebnis einer unheilsamen Tat (akusala kamma) ist, die entweder in diesem oder in einem vergangenen Leben begangen worden ist. Diese Art von citta sind akusala-vipāka. Sehen wir etwas Angenehmes, ist das citta kusala- vipāka, das Ergebnis einer von uns begangenen heilsamen Tat.

Jedesmal, wenn wir ein unangenehmes Objekt durch eines der fünf Sinnestore erleben, ist es akusala- vipāka. Jedesmal, wenn wir ein angenehmes Objekt durch eines der fünf Sinnestore erleben, ist es kusala vipāka.

Wenn jemand geschlagen wird, so ist der Schmerz, den er fühlt, nicht vipāka (Ergebnis) der von der schlagenden Person vollbrachten Tat. Die geschlagene Person empfängt das Ergebnis einer von ihr selbst begangenen schlechten Tat, es ist ihr akusala vipāka durch den Körper. Die Handlung der aktiven Person ist nur der unmittelbare Anlaß des Schmerzes. Sie ist nur eine der Bedingungen für die Entstehung von vipāka in diesem Augenblick. Die Tat der schlagenden Person jedoch wurde durch akusala citta bedingt.

Früher oder später wird letztere Person die Folge ihrer eigenen Tat empfangen. Besseres Verstehen von kamma und vipāka wird viele Ereignisse des Lebens in einem neuen Licht erscheinen lassen.

Im ' Atthasālini' (Buch I, Teil II, 65) wird erklärt, daß das kamma der verschiedenen Menschen die verschiedenen Ergebnisse bei der Geburt und das ganze Leben hindurch bedingt. Sogar körperliche Merkmale sind Wirkungen von kamma. Wir lesen:


'... Bedingt durch das verschiedene kamma ergibt sich der Unterschied im Schicksal der Wesen ohne Beine, mit zwei Beinen, vier Beinen, vielen Beinen, im vegetativen wie im spirituellen Bereich, bei den Wesen mit Wahrnehmung, ohne Wahrnehmung, mit 'weder Wahrnehmung noch ohne Wahrnehmung'. Bedingt durch das verschiedene kamma ergibt sich der Unterschied bei der Geburt der Wesen, der vornehmen und niedrigen, gemeinen und erhabenen, glücklichen und unglücklichen. Bedingt durch das verschiedene kamma ergibt sich der Unterschied in den individuellen Zügen der Wesen, den schönen und häßlichen, vornehm Geborenen oder niedrig Geborenen, wohlgeformten oder verunstalteten. Bedingt durch das verschiedene kamma ergibt sich der Unterschied in den Veränderungen im Leben der Wesen, wie Gewinn und Verlust, Ruhm und Schande, Tadel und Lob, Glück und Elend.'
Weiter lesen wir (Buch I, Teil II, 66):
'... Durch kamma wird die Welt bewegt, durch kamma leben Menschen, durch kamma sind die Menschen angebunden, wie durch die Nabe das rollende Rad des Wagens ...'
(Sutta Nipāta, 654)


Buddha lehrte die bedingte Entstehung aller Dinge (Paticcasamuppāda). Nicht durch Zufall sind die Menschen in ihren körperlichen Strukturen und ihren Charakterzügen so verschieden voneinander. Nicht durch Zufall leben sie in verschiedenen Verhältnissen. Sogar die verschiedenen körperlichen Merkmale bei den Tieren rühren von verschiedenem kamma her. Auch Tiere haben citta, sie können sich gut oder schlecht benehmen. Somit häufen sie verschiedenes kamma an, das verschiedene Folgen bewirkt. Wenn wir verstehen, daß jedes kamma sein eigenes Ergebnis hervorbringt, gibt es für uns keinen Grund mehr, auf die Geburt in einer reichen Familie, über Lob, Ehre und andere angenehme Dinge stolz zu sein. Wenn wir leiden, werden wir verstehen, daß Leiden durch unsere eigenen Taten bedingt sind. Dann werden wir weniger dazu geneigt sein, andere Menschen für unser Unglücklichsein verantwortlich zu machen, und weniger neidisch sein, wenn andere angenehme Dinge erhalten. Wenn wir die Wirklichkeit richtig verstehen, erkennen wir, daß nicht ein 'Ich' etwas Angenehmes erlebt oder erleidet. Es ist vipāka, ein citta, das aufgrund von Bedingungen entsteht und sofort wieder vergeht.

Wir können sehen, daß das Verhalten von Menschen, die unter gleichen Verhältnissen geboren sind, verschieden voneinander ist. Zum Beispiel gibt es unter den in reichen Familien geborenen Menschen solche, die geizig sind, und andere, die freigebig sind.

Die Tatsache, daß jemand in eine reiche Familie geboren wurde, ist die Folge einer guten Tat. Geiz jedoch ist durch unsere eigenen angesammelten kilesa (Befleckungen) bedingt. Kamma ist die Ursache für das Geborenwerden unter bestimmten Verhältnissen.
Angehäufte kilesa bedingen unseren Charakter.

Vielleicht bezweifeln wir vergangenes und zukünftiges Leben, da wir ja nur das gegenwärtige Leben erleben. Dennoch, in diesem gegenwärtigen Leben bemerken wir, daß verschiedene Menschen verschiedene Ergebnisse erfahren. Die Ursache für diese Ergebnisse muß in der Vergangenheit liegen. Vergangenes bestimmt Gegenwärtiges und die Taten, die wir jetzt ausführen, werden ein Ergebnis in der Zukunft bewirken. Ein besseres Verständnis für die Gegenwart wird ein besseres Verständnis für Vergangenes und Zukünftiges bewirken.

Vergangenes, gegenwärtiges und zukünftiges Leben sind eine ununterbrochene Kette von citta. Jedes citta, das entsteht, vergeht auch wieder, und das nächste citta folgt. Citta sind nicht beständig. Es gibt aber keinen Augenblick ohne citta. Gäbe es keine citta, wäre der Körper tote Materie. Sogar im tiefen Schlaf entstehen citta. Citta, das vergeht, bedingt die Entstehung des nachfolgenden citta. Das letzte citta dieses Lebens bedingt die Entstehung des ersten citta des nächsten Lebens, das Wiedergeburtsberwußtsein.So sehen wir ein, daß das Leben immer weitergeht. Wir bewegen uns in einem Zyklus, in dem Kreislauf von Geburt und Tod.

Das nachfolgende citta kann nicht entstehen, bevor das vorangegangene citta nicht vergangen ist. Es kann jedoch nur ein citta in einer Zeiteinheit entstehen. Citta entstehen und vergehen jedoch so schnell, daß der Eindruck entsteht, es könnten mehrere citta nebeneinander zur gleichen Zeit bestehen. Wir nehmen vielleicht an, wir könnten zur gleichen Zeit hören und sehen. In Wirklichkeit entsteht jedoch jedes dieser citta in einem anderen Augenblick. Unsere eigene Erfahrung wird uns lehren, daß Sehen eine andere Art Bewußtsein ist als Hören. Diese citta entstehen aufgrund verschiedener Bedingungen und erfahren verschiedene Objekte.

Citta ist das, was etwas erfährt, erlebt, weiß, erkennt. Es erlebt ein Objekt. Jedes citta muß ein Objekt haben, ohne Objekt kann citta nicht entstehen. Die citta erleben die verschiedenen Objekte durch sechs Tore: Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper und Geisttor.

Sehen ist ein citta, welches das erfährt, was durch das Auge erscheint. Wir können das Wort 'Farbe' für das Objekt gebrauchen, das gesehen wird. Es ist aber nicht notwendig, es Farbe zu nennen. Wenn Farbe den Sehsinn berührt, sind die Bedingungen zum Sehen entstanden. Schließen wir unsere Augen, findet kein Sehen mehr statt, weil die Bedingungen für das Sehen weggefallen sind.
Sehen ist etwas anderes als das Nachdenken über das Gesehene oder das Benennen des Gesehenen. Denken ist eine Art von citta, das ein Objekt durch das Geisttor erlebt.

Hören ist ein citta, das verschieden von Sehen ist. Es hat andere Bedingungen und erlebt andere Objekte. Wenn Klang das Hörorgan berührt, sind die Bedingungen zum Hören entstanden. Es müssen die rechten Bedingungen für die Entstehung eines jeden citta erfüllt sein. Wir können nicht mit den Ohren riechen oder mit den Augen schmecken.

Citta, das riecht, erlebt ein Objekt mit der Nase. Citta, das schmeckt, erlebt ein Objekt mit der Zunge. Citta, das einen Körpereindruck erfährt, erlebt diesen mit dem Körperorgan. Citta, das denkt, kennt viele verschiedene Objekte durch das Geisttor. In jedem Augenblick kann nur ein Objekt erlebt werden, weil in jedem Augenblick nur ein citta entsteht.

Wir können theoretisch verstehen, daß ein citta, das sieht, eine andere Charakteristik hat als ein citta, das hört, und das citta verschieden von einem körperlichen Phänomen (rūpa) ist, das nichts erlebt. Dieses Wissen kann für uns einfach zu verstehen sein. Theoretisches Wissen sollte jedoch von dem echten Erlebnis der Wirklichkeit unterschieden werden. Theoretisches Wissen geht nicht sehr tief. Es vermag nicht die Idee von einem 'Ich' oder 'Selbst' auszulöschen. Nur Achtsamkeit, die sich der Phänomene bewußt wird, die durch die 6 Tore erscheinen, wird die Wahrheit im Erleben erfassen können.

Die Objekte, die wir erleben, sind die Welt, in der wir leben. Im Augenblick des Sehens ist Form und Farbe die erlebte Welt. Die Welt der Form und Farbe dauert nicht an, sie vergeht sofort wieder. Beim Hören erleben wir die Welt des Klanges. Auch sie zerfällt wieder. Wir sind von den Objekten, die wir mit Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper und Geist erfahren, voll in Anspruch genommen und betört. Keines dieser Objekte aber dauert an.

Alles was wir erleben, ist vergänglich. Was vergänglich ist, sollten wir nicht für ein 'Selbst' halten.

Im 'Anguttara Nikāya' (Vierer-Buch, 45, Rohitassa) lesen wir, daß Rohitassa, ein Deva, Buddha fragte, wie das Ende der Welt zu erreichen sei. Er sprach zu Buddha:

„Herr, besteht für uns die Möglichkeit, durch Gehen das Ende der Welt kennenzulernen, zu sehen, zu erreichen? Dort, wo es kein Geborenwerden mehr gibt, kein Altern, kein Sterben, kein Verfall der einen Existenz und Auferstehen in einer anderen?" „Würdiger, dort, wo es kein Geborenwerden oder Altern gibt, kein Sterben, kein Verfall von einer Existenz und Auferstehen in einer anderen ... ich sage dir, das Ende dieser Welt wird nicht durch Gehen kennengelernt, gesehen oder erreicht."

„Es ist wunderbar, Herr! Es ist erstaunlich, Herr, wie gut es der Erhabene gesagt hat: 'Dort, wo es kein Geborenwerden mehr gibt... das Ende der Welt kann nicht durch Gehen kennengelernt, gesehen oder erreicht werden!' Früher, Herr, wurde ich der Einsiedler Rohitassa, Bhojas Sohn genannt, einer, der magische Kräfte besaß, ein Wolkenschreiter. Die Weite meines Schrittes umfaßte die Entfernung zwischen dem östlichen und dem westlichen Ozean. In mir, Herr, der ich im Besitz einer solchen Geschwindigkeit und eines solchen Schrittes war, wurde das Verlangen wach: Ich will das Ende der Welt durch Gehen erreichen.
Herr, nicht soll von der Zeit gesprochen werden, die mit Nahrung und Getränken, Essen, Schmecken, Verlockungen der Natur verbracht wurde. Es sollen nicht die.Kämpfe zur Überwindung von Müdigkeit und Überdruß erwähnt werden. Und obwohl meine Lebenszeit hundert Jahre betrug, obgleich ich hundert Jahre gelebt habe und hundert Jahre gewandert bin, konnte ich nicht das Ende der Welt erreichen, bevor ich starb. Wunderbar in der Tat, Herr! Erstaunlich ist es, Herr, wie gut es der Erhabene gesagt hat: 'Würdiger, dort, wo es kein Geborenwerden mehr gibt... nicht durch Gehen kann das Ende der Welt kennengelernt, gesehen oder erfaßt werden!'"

„Aber, Würdiger, ich behaupte nicht, daß dem Leiden ein Ende gemacht wird, ohne daß das Ende der Welt erreicht wird. Vielmehr, Würdiger, erkläre ich, daß in diesem klaftergroßen Körper mit seinen Wahrnehmungen und Gedanken die Welt liegt, die Entstehung der Welt, das Ende der Welt und der Weg, der zum Ende der Welt führt. Nicht durch Gehen kann das Ende der Welt erreicht werden. Und doch gibt es für den, der das Ende der Welt nicht erreicht hat, keine Befreiung vom Leiden. Das aber verkünde ich, Würdiger, in eben diesem klaftergroßen Körper mit seinen Wahrnehmungen und Gedanken liegt die Welt, die Entstehung der Welt, das Ende der Welt und der Weg, der zum Ende der Welt führt.

Daher ein weiser Weltenkenner, der, heilig, hin zum Ende kam, der, still geworden, um das Weltenende weiß, verlangt nicht mehr nach dieser Welt noch jener."


Buddha belehrte die Menschen über die Welt und den Weg, der zum Ende der Welt fuhrt, d.h. zum Ende aller Leiden. Der Weg zu dieser Erkenntnis ist das rechte Wissen um die Welt, das Verstehen des klaftergroßen Körpers mit seinen Wahrnehmungen und Gedanken, die rechte Selbsterkenntnis.


Fragen
  1. Menschen werden in verschiedene Umstände geboren: manche werden in eine reiche Familie geboren, andere in eine arme. Was ist die Ursache dafür?
  2. Das Benehmen der Menschen ist verschieden: manche sind geizig, andere sind großzügig. Wodurch ist das bedingt?
  3. Jedes citta, das entsteht, vergeht auch wieder vollständig. Wie ist es dann möglich, das kilesa angehäuft werden können?