Kapitel 13. Nina Van Gorkom. Abhidhamma im Alltag


Funktionen von Citta im Sinnenpforten-Prozeß und im Geisttor-Prozeß


Jedes citta hat eine bestimmte Funktion. Kein citta entsteht, ohne eine Funktion auszuführen. Sehen und Hören z.B. sind Funktionen, die von citta, Bewußtsein, erfüllt werden. Für gewöhnlich betrachten wir Sehen und Hören nicht als Funktionen, weil wir an einem Selbst festhalten. Wollen wir mehr über citta (Bewußtsein) wissen, sollten wir ihre verschiedenen Funktionen (in Pali: kicca) kennenlernen.

Die Aufgabe, die vom ersten citta im Leben ausgeführt wurde, ist die Funktion von patisandhi (Wiedergeburts-Bewußtsein). Das patisandhi-citta wird von bhavanga-citta (Lebens- oder Daseinsstrom,Unterbewußtsein) gefolgt. Die Funktion der Lebensströmung (bhavanga-kicca) ist die zweite Funktion von citta. Das bhavanga-citta erhält jemandem am Leben. Solange man lebt, entstehen und vergehen bhavanga-citta, und zwar in der Zeit, in der kein sinnlicher und kein innerer Bewußtseinsvorgang stattffindet, d.h. in der kein Sinnenpforten-Prozeß oder Geisttor-Prozeß der citta entsteht. Bhavanga-citta entstehen zwischen den verschiedenen Prozessen der citta, die ein Objekt durch eine der sechs Pforten.erleben. Wenn z.B. Sehen entsteht und danach Hören, müssen, bhavanga-citta zwischendurch auftreten.

Wenn ein Objekt eine der Sinnenpforten berührt, wird die Strömung, der bhavanga-citta unterbrochen. Es entstehen und vergehen noch drei weitere bhavanga-citta. Dann entsteht das pañca-dvārâvajjana-citta, das Bewußtsein, das die Funktion des Aufmerkens an der Fünfsinnenpforte' hat. Das pañca-dvārävajjana-citta ist das erste Bewußtsein der citta-Prozesse, in denen das Objekt erlebt wird, das eine der Sinnenpforten berührt hat.

Das pañca-dvārävajjana-citta führt die Funktion von āvajjana oder 'Aufmerken, Hinwenden' zu dem Objekt aus, welches auf eine der fünf Sinnenpforten wirkt. Es merkt auf das Objekt durch jene Sinnenpforte hin. Das pañca-dvārävajjana-citta ist ein ahetuka kiriyā-citta.

Der 'Visuddhimagga' (XIV, 107) berichtet folgendes über das pañca-dvāvâvajjana-citta ('Geist-Element', mano-dhātu)1:

'Sobald aber das Unterbewußtsein geschwunden ist, steigt das rein funktioneile 'Geist-Element' (mano-dhātu) auf, indem es, eben dieses Sehobjekt zum Objekte nehmend und den unterbewußten Daseinsstrom durchbrechend, die Funktion des 'Aufmerkens' (āvajjana) erfüllt. Auch hinsichtlich der Hörpforte gilt dieselbe Erklärung. Sobald aber die sechs Arten der Obj ekte in die Geistpforte (mano- dvāra) eingetreten sind, steigt das von Indifferenz begleitete wurzelfreie funktionelle 'Geistbewußtseins-Element' (mano-viñnāna-dhātu) auf, indem es, unmittelbar auf die Erregung des Unterbewußtseins hin, das Unterbewußtsein durchbrechend, die Funktion des Aufmerkens erfüllt.'


Das pañca-dvārâvajjana-citta ist 'Vorläufer', weil es vor pañca- viññāna (Sehen, Hören, etc.) entsteht. Wenn es sich dem Objekt zuwendet, das die Augenpforte berührt hat, merkt es durch jene Pforte auf, und es wird 'aufmerkendes Bewußtsein an der Augenpforte' genannt (cakkhu-dvārävajjana-citta). Wenn es sich dem Objekt zuwendet, das die Ohrenpforte berührt hat, ist es das 'aufmerkende Bewußtsein an der Ohrenpforte' (sota-dvārâvajjana-citta). Das pañca-dvārävajjana-citta wird nach der Sinnenpforte benannt, auf die das Objekt wirkt. Das pañca-dvārâvajjana-citta entsteht unzählige Male am Tage, wir bemerken es jedoch nicht.

Bevor wir sehen, hat das aufmerkende Bewußtsein an der Augenpforte (cakkhu-dvārâvajjana-citta) sich bereits zu der Farbe hingewendet, die den Sehsinn berührt hat, und ist im Augenblick des Sehens wieder weggefallen. Wann immer auch Sehen, Hören und andere pañca-viññāna entstehen, das pañca-dvārâvajjana-citta hatte sich schon dem Objekt zugewendet und ist bereits wieder weggefallen.

Das pañca-dvārâvajjana-citta wird von den anderen citta des sinnlichen Bewußtseinvorganges gefolgt, die dann dasselbe Objekt erleben. Ist dieser Prozeß vorüber, wird das Objekt durch das Geisttor erfahren. Zuerst entstehen bhavanga-citta, gefolgt vom mano-dvārâvajjana-citta, das die Funktion des 'Aufmerkens' (āvajjana) an der Geistpforte ausfuhrt. Somit gibt es zwei Arten von citta, die die Funktion des 'Aufmerkens' (āvajjana-kicca) ausfuhren: das pañca-dvārävajjana-citta merkt auf das Objekt an einer der fünf Sinnenpforten hin, und das mano-dvārâvajjana-citta merkt auf das Objekt an der Geistpforte hin. Das mano-dvārâvajjana-citta ist ein ahetuka kiriyācitta. Es wird weder von nicht-heilsamen Wurzeln (hetu) noch von sobhana (schönen) Wurzeln begleitet.

Nachdem es auf das Objekt hingemerkt hat, wird es von kusala citta oder von akusala citta gefolgt. Wenn der Kontakt zwischen Farbe und Sehsinn aufgenommen' wurde, merkt das 'aufmerkende Bewußtsein an der Augenpforte' (cakkhu-dvārävajjana-citta) auf die Farbe an der Augenpforte hin.

Wenn das cakkhu-dvārävajjana-citta fortgefallen ist, wird es vom Sehbewußtsein (cakkhu-viññāna) gefolgt. Die Funktion des Sehens (in Pali: dassana-kicca) wird vom Sehbewußtsein (cakkhu-viññāna)" ausgeführt. Sehen ist vipāka. Es ist das Ergebnis von kusala kamma oder akusala kamma. Wir wurden geboren, um die Rückwirkungen unserer Taten zu empfangen. Der Strom der bhavanga-citta wird deshalb unterbrochen und vipāka-citta entstehen, nachdem das pañca-dvārävajjana-citta fortgefallen ist.

Das citta, das die Funktion des Sehens (dassana-kicca) vollführt, nimmt nur Farbe wahr. Dieses citta kennt weder 'mögen' noch 'nicht mögen'. Es ist ein ahetuka-vipāka-citta. Die citta, welche das Objekt erkennen, entstehen später. Wenn man nicht vipassanā (Einsicht in die wahre Natur der Dinge) pflegt, erkennt man nicht, daß citta, welches nur Farbe erfährt, eine andere Wirklichkeit ist als die citta, die 'mögen' oder *nicht mögen', oder die citta, die das Objekt erkennen. Weil wir Unwissenheit und falsche Ansicht angehäuft haben, erkennen wir nicht die Vergänglichkeit des Bewußtseins, das fortfällt, sobald es entstanden ist und von einem anderen Bewußtsein gefolgt wird, das eine andere Wirklichkeit ist.

Es gibt zwei Arten von citta, welche die Funktion des Sehens ausführen: ein citta ist akusala vipäka und das andere ist kusala vipāka. Nur diese beiden Arten von citta können die Funktion des Sehens ausfuhren.

Wenn Klang auf den Gehörsinn trifft und das 'aufmerkende Bewußtsein an der Gehörpforte' (sota-dvārävajjana-citta) entstanden und wieder fortgefallen ist, entsteht Hörbewußtsein. Die Funktion des Hörens (in Pali: savana-kicca) ist eine andere Funktion des Bewußtseins. Hören ist ahetuka vipāka. Zwei Arten von citta können die Funktion des Hörens ausführen: ein Bewußtsein ist akusala vipāka und das andere ist kusala vipāka.

Eine andere Bewußtseinsfunktion ist die Funktion des Riechens (in Pali: ghāyana-kicca). Zwei citta, die beide ahetuka sind, können diese Funktion ausfuhren: ein Bewußtsein ist akusala vipāka und das andere ist kusala vipāka.

Es gibt zwei Arten von ahetuka citta, welche die Funktion des Schmeckens (in Pali: sāyana-kicca) ausfuhren: ein Bewußtsein ist sala vipāka und das andere ist kusala vipāka. Wenn dieses citta eine Funktion ausführt und z.B. süßen oder salzigen Geschmack schmeckt, so erlebt es lediglich diesen Geschmack. Es kennt nicht en Namen des Geschmacks. Die citta, welche den konventionellen amen des Geschmacks kennen, entstehen später.

Die Funktion des Erlebens von Körpereindrücken (in Pali: phusana- kicca) ist eine andere Funktion des Bewußtseins. Wenn eine Berührung mit dem Tastsinn stattgefunden hat, merkt das pañca- dvārävajjana-citta auf das Objekt durch die Körpersinnenpforte hin. Es wird von Körperbewußtsein (kāya-viñnāna) gefolgt, das die Funktion hat, Körpereindrücke zu erleben. Zwei Arten von citta,die beide ahetuka sind, können diese Funktion ausführen: ein citta ist akusala vipāka und das andere ist kusala vipāka. Die Objekte, die von kāya-viññāna (dem Körperbewußtsein) erlebt werden, sind die folgenden rūpa:

- Solidität (Festigkeit, die als Härte oder Weichheit erlebt wird)
- Temperatur (die als Kälte oder Wärme erlebt wird)
- Bewegung (die als Bewegung oder Druck erlebt wird).

Die Pforte, durch die diese Objekte erfahren werden, ist der Körpersinn, den man auch Druck- oder Tastsinn nennt und der rūpa ist. Diese Art von rūpa, welche die Fähigkeit hat, körperliche Eindrücke aufzunehmen, ist über den ganzen Körper verteilt. Ausgenommen sind jene Teile, die nicht empfindlich sind.

Fassen wir die Funktionen, die von citta ausgeführt werden, welche die pañca-viññāna sind, zusammen, so ergibt sich:

- die Funktion des Sehens (dassana-kicca)
- die Funktion des Hörens (savana-kicca)
- die Funktion des Riechens (ghāyana-kicca)
- die Funktion des Schmeckens (sāyana-kicca)
- die Funktion des Erlebens von Körpereindrücken (phusana kicca).

Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und das Erleben von körperlichen Eindrücken sind verschiedene Funktionen, die nicht von einem 'Selbst', sondern von citta, Bewußtsein, ausgeführt werden. Diese citta entstehen aufgrund von Bedingungen. Um Menschen an diese Wahrheit zu erinnern, erklärte der Buddha oft, wie Bewußtsein Objekte durch die fünf Sinne und das Geisttor erlebt. Er wies auf die verschiedenen Bedingungen hin, durch die Bewußtsein entsteht, und auf deren Vergänglichkeit. Da die Bedingungen, durch welche citta (Bewußtsein) entstehen, vergänglich sind, müssen auch diese citta vergänglich sein.

Wir lesen in der 'Samyutta Nikāyā' (Salâyatana-vagga, Kindred Sayings on Sense, First Fifty, Chapter IV, par. 93, Duality II), daß der Buddha zu seinen Mönchen sagte:

, Jnfolge von zwei Dingen, ihr Jünger, entsteht Bewußtsein. Und was ihr Jünger, ist dieses Zweifache, aufgrund dessen Bewußtsein entsteht? Infolge des Auges und der Objekte entsteht Bewußtsein im Auge. Das Auge ist vergänglich, wechselnd, der Bewußtseinszustand ist 'anders werden'. So sind auch die Objekte. Somit ist dieses Doppelte beweglich, vergänglich, wechselnd - der Zustand ist 'anders werden'.
Sehbewußtsein ist impermanent, wechselnd, der Bewußtseinszustand ist 'anders werden'. Jene Bedingung, jene Beziehung zum Entstehen des Sehbewußtseins, auch sie sind vergänglich, wechselnd, der Bewußtseinszustand ist 'anders werden'. Wie könnte dieses Sehbewußtsein, das aufgrund einer vergänglichen Verbindung entsteht, beständig sein?



Das Zusammenstoßen jedoch, das Zusammenfallen, das Zusammentreffen dieser drei Dinge, dies, ihr Mönche, wird 'Augen-Kontakt' genannt. Augen-Kontakt ist vergänglich, wechselnd, sein Zustand ist 'anders werden'. Jene Bedingung, jene Beziehung beim Entstehen von Augen- Kontakt, auch sie sind vergänglich. ... Dieser Augen- Kontakt, der da aufgrund einer vergänglichen Verbindung entsteht, wie könnte er beständig sein? Aufgrund dieses Kontaktes, dieser Berührung, entsteht Empfindung.

Aufgrund des Kontakts entsteht Bewußtsein. Aufgrund des Kontakts entsteht Wahrnehmung. Somit sind die dhamma beweglich, ergänglich und wechselhaft. Dieser Bewußtseinszustand ist' anders werden'."

Dasselbe wird in Bezug auf die anderen Sinnenpforten gesagt.

Im Bewußtseinsprozeß werden das pañca-viññāna (Sehbewußtsein, Hörbewußtsein etc.) vom sampaticchana-citta gefolgt. Dieses Bewußtsein, das die Funktion von sampaticchana (Rezipieren des Sinnenobjektes) hat, nimmt das Objekt auf, nachdem das pañca- viññāna fortgefallen ist. Sampaticchana-citta ist ahetuka vipāka.

Zwei Arten von Bewußtsein können diese Funktion erfüllen: eins ist akusala vipāka und eins ist kusala vipāka.

Kamma produziert nicht nur die dvi-pañca-viññāna (die fünf Paare) und das sampaticchana-citta, es produziert auch das santirana-citta (prüfendes Bewußtsein), das dem sampaticchana-citta folgt. Das santirana-citta erfüllt im sinnlichen Bewußtseinsprozeß die Funktion von santirana (Prüfen des Objekts), es ist ahetuka vipāka-citta. Die Funktion des 'Prüfens des Objektes' ist eine andere Funktion von citta, verschieden von Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, das Fühlen von Eindrücken durch den Körper und sampaticchana.

Fs gibt 3 Arten von santirana-citta, welche die Funktion des 'Prüfens' ausführen können. Die Art des santirana-citta hängt von der Natur des Objektes (ārammana) ab, das folgendermaßen sein kann: ein unangenehmes Objekt (in Pāli: aniddhārammana), ein angenehmes Objekt (in Pāli: iddhārammana) oder ein außergewöhnlich angenehmes Objekt (in Pāli: adW-iddhārarnmana).

Zu den santirana-citta, die das Objekt prüfen, läßt sich folgendes sagen:
  1. Falls das Objekt unangnehm ist, führt ein akusala vipāka-citta die Funktion von santirana aus, begleitet von upekkhä (neutrale Empfindung)
  2. Falls das Objekt angenehm ist, ist das santirana-citta kusala vipāka, von upekkhā begleitet
  3. Falls das Objekt außergewöhnlich angenehm ist, ist das santirana- citta kusala vipāka, von somanassa (angenehmer Empfindung) begleitet.


Santirana-citta wird von votthapana-citta gefolgt. Es ist das 'die Funktion des Feststellens' des Sinnenobjekts vollziehende Bewußtsein. Es bestimmt, ob es ein Objekt für kusala citta oder für akusala citta ist. Entsprechend der Entscheidung wird es von kusala citta oder von akusala citta gefolgt. Die Bedingungen, durch die es entsteht, sind verschieden von den Bedingungen für das santirana-citta, welches von kamma bedingt ist. Votthapana-citta ist nicht vipāka, und es ist nicht kusala oder akusala, sondern ein ahetuka kiriyā-citta. Das votthapana-citta ist tatsächlich das mano-dvārâvajjana-citta, welches im sinnlichen Bewußtseinsprozeß die Funktion von votthapana ausführt und deshalb votthapana-citta genannt wird. Das mano-dvārâvajjan-citta kann mehr als eine Funktion ausführen: Im inneren Bewußtseinsprozeß vollführt es die Funktion des 'Aufmerken auf das Objekt an der Geistpforte'- Wird das mano-dvārâvajjana-citta von kusala citta gefolgt, dann besteht 'weise Aufmerksamkeit'. Wird es jedoch von akusala citta gefolgt, so besteht eine 'nicht weise Aufmerksamkeit'.

Wenn wir nichts über die citta der verschiedenen Bewußtseinsprozesse und ihre verschiedenen Bedingungen wissen, nehmen wir an, es gäbe ein 'Selbst', das sich in bestimmten Augenblicken entscheidet, gute oder schlechte Taten auszuführen. In Wirklichkeit gibt es keine Person, kein 'Selbst', welches entscheidet. Es gibt jedoch citta, die, bedingt durch Akkumulation (Anhäufung, Gewohnheit), kusala und akusala sind.

Citta erleben angenehme oder unangenehme Objekte durch die Sinne und durch das Geisttor. Hat jemand viel lobhaund dosa akkumuliert, so entstehen wahrscheinlich lobha-mūla-citta, wenn das Objekt angenehm ist. Es werden wahrscheinlich dosa-mūla-citta entstehen, wenn das Objekt unangenehm ist. Diese citta entstehen aufgrund von Bedingungen, sie sind nicht 'Selbst'. Sie entstehen jenseits einer Kontrolle. Dennoch, durch das Studium des dhamma, und vor allem durch die Entfaltung von 'Einsicht' (vipassanā), kann die Bedingung für 'weise Aufmerksamkeit' geschaffen werden. Es hat dann nichts zu sagen, ob das Objekt angenehm oder unangenehm ist. Im sinnlichen Bewußtseinsprozeß kann das votthapana-citta entscheiden, daß es ein Objekt für kusala citta ist, und es wird dann von kusala-citta gefolgt. Im inneren Bewußtseinsprozeß kann das mano-dvārâvajjana-citta, nachdem es auf das Objekt aufgemerkt hat, von kusala citta gefolgt werden.

Wir neigen zu der Annahme, daß in einem Bewußtseinsprozeß die akusala vipāka-citta, die ein unangnehmes Objekt erfahren, notwendigerweise von akusala citta gefolgt werden, da wir uns von den Objekten beeinflussen lassen, die wir erleben. Wenn jedoch weise Aufmerksamkeit' besteht, folgt keine Abneigung gegen unangenehme Objekte. Kusala citta und akusala citta entstehen aufgrund anderer Bedingungen, die vollkommen verschieden von den Bedingungen für vipāka-citta sind. Akusala vipāka und kusala

vipäka sind das Ergebnis von kamma. Wir möchten gerne unser vipāka kontrollieren, dies ist jedoch nicht möglich. Wenn die Zeit für akusala vipāka gekommen ist, können wir seine Entstehung nicht verhindern. Wir sollten erkennen, daß unser Leben nāma und rūpa ist, die aufgrund von Bedingungen entstehen und wieder vergehen. Wenn wir erkennen würden, daß vipāka nur ein Bewußtseinsaugenblick ist, der wieder wegfällt, sobald er entstanden ist, würden wir uns weniger von den unangenehmen Objekten überwältigen lassen, die wir erfahren. Dadurch bestünden mehr Bedingungen für 'weise Aufmerksamkeit' anstelle von 'nicht weiser Aufmerksamkeit'. Wir sollten uns des Sutta-Textes in der 'Samyutta Nikāya' (Salāyatana-vagga, Kindred Sayings on Sense, Fourth Fifty, Chapter V, par. 202, Lustful)2 erinnern, welcher darauf hinweist, daß der nicht achtsame Mönch von den Objekten überwältigt wird.

Über den achtsamen Mönchen lesen wir:
„Mehr noch, ihr Freunde, indem er so lebt, erobert der Mönch Objekte, Objekte, erobern ihn nicht. Er erobert Klänge, Düfte, Geschmäcke, greifbare Gegenstände, Bewußtsein. Sie erobern ihn nicht. Solch ein Mönch, ihr Freunde, wird 'Eroberer von Objekten, Klängen, Düften, Geschmäcke, greifbaren Objekten und Bewußtsein'. Er ist Herrscher, wird nicht beherrscht...."


Vielleicht wundert man sich, ob es notwendig ist, mehr über citta und ihre Funktionen in Einzelheiten zu wissen. Ist es nicht genug, wenn wir von kusala citta und akusala citta gehört haben? Sollen wir auch etwas über die Funktionen der citta wissen, die in einem Bewußtseinsprozeß entstehen, bevor kusala citta oder akusala citta entstehen? Um zu verstehen, daß es kein 'Selbst' gibt, welches die Entstehung der citta und die Funktionen der citta steuern kann, sollten wir außer von kusala und akusala citta auch über andere

Arten von citta hören, die verschiedene Funktionen in einem Bewußtseinsprozeß ausführen und aufgrund verschiedener Bedingungen entstehen. Es gibt kein 'Selbst', welches für kusala citta entscheiden kann. Menschen haben verschiedene Akkumulationen, und somit wird das mano-dvārâvajjana-citta, wenn sich ihm ein Objekt präsentiert, entweder von kusala oder akusala citta gefolgt, entsprechend der Gewohnheit. Wenn z.B. verschiedene Menschen ein köstliches Gericht riechen, wird das mano-dvārâvajjana-citta einiger Personen von akusala citta, in anderen Fällen aber von kusala citta gefolgt. Das mano-dvārâvajjana-citta derer, die guten Speisen zugetan sind, wird bestimmt von lobha-müla-citta gefolgt. Im Falle eines Menschen, der Akkumulationen für dāna Großzügigkeit) hat, wird das mano- dvārävajjana-citta von kusala-citta gefolgt, wenn er die Nahrung riecht. Er mag den Wunsch haben, die Nahrung Mönchen darzubringen. In noch anderen Fällen mag das mano-dvārävajjana-citta, das auf den Geruch hinmerkt, von kusala-citta mit pañnā gefolgt werden, die den Geruch als Geruch erkennen, ein rūpa und nicht 'Selbst'.

Citta und ihre Funktionen zu kennen, ist ein nützliches und fundamentales Wissen für die Entfaltung von 'Einsicht' (vipassanā). Man lernt, daß es viele Bedingungen zur Entstehung der verschiedenen citta gibt, und daß es kein 'Selbst' ist, das citta kontrollieren kann. Manchmal wird das mano-dvārâvajjana-citta von kusala citta gefolgt, manchmal von akusala citta. Falls jetzt 'weise Aufmerksamkeit' besteht, ist es eine Bedingung für 'weise Aufmerksamkeit' in der Zukunft.

Kusala citta und akusala citta entstehen zu verschiedenen Augenblicken, weil wir sowohl kusala als auch akusala akkumuliert haben. Menschen neigen dazu, der 'Welt' die Schuld für ihre eigenen Fehler zuzuweisen, da sie nicht wissen, daß Befleckungen im citta akkumuliert sind. Befleckungen sind nicht in den Objekten, die uns umgeben. Man mag vielleicht wünschen, ohne die sechs Pforten zu sein, um keine Befleckungen anzuhäufen. Der einzige Weg zur Tilgung von Befleckungen ist jedoch das rechte Wissen um die Wirklichkeiten, die durch die sechs Pforten erscheinen. Wir lessen in der 'SamyuttaNikāya' (Salāyatana-Vagga, Kindred Sayings on Sense, Fourth Fifty, Chapter III, par. 194, on fire), daß der Buddha zu seinen Mönchen sagte:

„Ich will Euch, ihr Mönche, eine Lehrrede vortragen, die durch ein 'Bild des Feuers und der Flammen' veranschaulicht werden soll. Eine Dhamma-Lehrrede. Höret! Und wovon, ihr Mönche, handelt die Rede?
Es wäre gut, ihr Mönche, wenn das Auge von einer glühend-roten Stecknadel versengt würde, in Brand und in Flammen stünde, wie glühende Flammen wäre. Dann gäbe es kein Festhalten an den Merkmalen oder Einzelheiten der Objekte, die durch das Auge erkennbar sind. Das Bewußtsein würde ja feststehen, festgebunden sein durch die Befriedigung, entweder durch die Merkmale oder die Einzelheiten des Objektes. Sollte man in solch einem Augenblick sterben, so bestünde die Möglichkeit, eines von zwei Schicksalen zu erleben: entweder die Hölle oder die Wiedergeburt im Leibe eines Tieres. Weil ich die Gefahr erkenne, ihr Mönche, tue ich Euch dieses kund.
Es wäre gut, ihr Mönche, wenn das Ohr mit einer eisernen Nadel durchbohrt würde, in Brand und in Flammen stünde ... wenn die Nase von einer scharfen Kralle durchbohrt würde, in Flammen stünde ... wenn die Zunge mit einem scharfen Messer versengt würde, in Flammen stünde ... der Körper von einem Schwert durchbohrt würde, in Flammen stünde…

Es wäre besser, ihr Mönche, zu schlafen. Weil der Schlaf, so verkünde ich, für lebendige Dinge unfruchtbar ist. Er ist für lebendige Dinge fruchtlos, so verkünde ich. Er ist für lebendige Dinge abstumpfend. Schlafend nämlich richtet man seine Gedanken nicht auf solche Phantasien, die ihn zum Sklaven machen würden, so daß er z.B. die Regel brechen würde. Weil ich die Gefahr des Wachseins erkenne, verkünde ich Euch dieses.

Der wohlunterrichtete Edle Jünger aber reflektiert folgendermaßen:
Was wäre, wenn ich, statt das Auge mit einer eisernen Nadel zu durchbohren, statt es in Brand und Flammen zu setzen, folgendes überlegen würde: Vergänglich ist das Auge, vergänglich sind Objekte, vergänglich ist Augenbewußtsein, Augenkontakt, die angenehme oder unangenehme und neutrale Empfindung, die aufgrund dieses Augenkontaktes entsteht - auch diese ist vergänglich…
Weil er so sieht, weist der wohl-unterrichtete Edle Jünger das Auge, die Objekte, das Bewußtsein im Auge und den Augenkontakt zurück. Jene angenehme oder unangenehme oder neutrale Empfindung, die infolge des Augenkontaktes entsteht, weist er zurück. Weil er zurückweisend ist, ist er leidenschaftslos geworden. Indem er leidenschaftslos geworden ist, ist er frei geworden. Durch diese Freiheit wächst in ihm das Wissen: 'Ich bin befreit', so daß er erkennt: 'Vernichtet ist die Wiedergeburt. Gelebt wird das rechtschaffene Leben. Die Aufgabe ist erfüllt. Für das Leben unter diesen Bedingungen gibt es kein zukünftiges Leben.'

Dies, ihr Jünger, ist eine Dhamma-Lehrrede, an einem 'Bild des Feuers und der Flammen' veranschaulicht."


Diese Sutte erinnert uns daran, in diesem Augenblick, in dem wir sehen, hören, riechen, schmecken, Eindrücke durch den Körper fühlen oder denken, achtsam zu sein. In diesen Augenblicken werden Funktionen von verschiedenen citta ausgeführt, die entstehen und vergehen.


Fragen
  1. Welches citta des sinnlichen Bewußtseinsprozesses entscheidet, ob das Objekt zum Objekt für akusala citta oder für kusala citta wird? Ist es von hetu (Wurzeln) begleitet oder ist es ahetuka?
  2. Welches citta des inneren Bewußtseinsprozesses geht den kusala citta oder akusala citta, die in jenem Prozeß entstanden, voran? Was ist seine Funktion?
  3. Ist das citta, welches im inneren Bewußtseinsvorgang den kusala citta oder akusala citta vorangeht, das erste citta jenes Prozesses, in welchem das Obj ekt erlebt wird?
  4. Kann dieses citta von Weisheit begleitet sein?
  5. Ist der Klang, der durch die Ohrenpforte und dann durch die Geistpforte erlebt wird, bereits weggefallen, wenn er durch die Geistpforte erlebt wird?
  6. Wieviele citta-Typen können die Funktion von āvajjana (Hinmerken des Geistes auf das Objekt) erfüllen?


Anmerkungen
1. Siehe 'Buddhistisches Wörterbuch' von Nyanatiloka
2. Zitiert in Kapitel 9