ABHIDHAMMAṬṬHA-SAṄGAHA FÜNFTER TEIL

KOMPENDIUM DER PROZESS-UNABHÄNGIGEN DINGE

Vīthimutta-Saṅgaha


§ 99 Wir haben nun das Kompendium der Vorgänge, im Sinne von Prozess-Bewusstseinsklassen, während des Lebensfortganges dargelegt, nunmehr aber sollen die Vorgänge bei der Wiedergeburt erklärt werden.

Was dieses Kompendium der prozess-unabhängigen Dinge anbetrifft, so haben wir hier vier Dinge zu unterscheiden, nämlich:
  1. die 4 Daseinsebenen,
  2. die 4 Wiedergeburten,
  3. die 4 Arten des Karma,
  4. die 4 Anlässe des Sterbens.


[Zusammenfassende Gliederung]
1. DASEINSEBENEN (bhūmi)
    1.1. Daseinsebene der niedere Welten" (apāya-bbūmi)
    1.2. Daseinsebene "Glückliche Fährte der Sinnessphäre" (kāmâvacarasugati-bhūmi)
    1.3. Daseinsebene feinkörperliche Sphäre (rūpâvacara-bhūmi)
    1.4. Daseinsebene unkörperliche Sphäre (arūpâvacara-bhūmi)
2. WIEDERGEBURT (paṭisandhi)
    2.1. Wiedergeburt in den niederen Welten
    2.2. Wiedergeburt in der glücklichen Daseinsebene der Sinnessphäre
    2.3. Wiedergeburt in der feinkörperliche Sphäre
    2.4. Wiedergeburt in der unkörperliche Sphäre
3. KARMA (kamma)
    3.1. Die Arten des Karma
        3.1.1 Karma hinsichtlich der Funktionen
        3.1.2 Karma hinsichtlich der Reihenfolge der Wirkungen
        3.1.3 Karma hinsichtlich der Zeit der eintretenden Wirkung
        3.1.4 Karma hinsichtlich des Ortes der Wirkung
    3.2. Karma und Karmawirkung
        3.2.1 Unheilsames Karma und Karmawirkung
        3.2.2 Heilsames Karma in der Sinnessphäre und Karmawirkung
        3.2.3 Karma in der feinkörperlichen Sphäre und Karmawirkung
        3.2.4 Karma in der unkörperlichen Sphäre und Karmawirkung
4. STERBEN, WIEDERGEBURT UND UNTERBEWUSSTSEIN
    4.1. Karma und Sterben
    4.2. Karma und Wiedergeburt
    4.3. Karma und der unbewusste Lebensstrom (bhavanga-sota)


1. DASEINSEBENEN (bhūmi)
Es gibt da vier Daseinsebenen, nämlich:
  1. die Daseinsebene der Niederen Welten (apāya-bbūmi),
  2. die Daseinsebene der Glücklichen Fährte der Sinnessphäre (kāmâvacarasugati-bhūmi),
  3. die Daseinsebene der Feinkörperlichen Sphäre (rūpâvacara-bhūmi),
  4. die Daseinsebene der Unkörperlichen Sphäre (arūpâvacara-bhūmi).


1.1. Daseinsebene der niedere Welten" (apāya-bbūmi)
Die Daseinsebene der Niederen Welten ist hierunter vierfach:
  1. Hölle,
  2. Tierschoß,
  3. Gespensterreich,
  4. Dämonenreich (niraya, tiracchāna-yoni, petti-visaya, asura-nikāya).


1.2. Daseinsebene "Glückliche Fährte der Sinnessphäre" (kāmâvacarasugati-bhūmi)
§ 100 Die Daseinsebene der Glücklichen Fährte der Sinnessphäre ist siebenfach:
die Menschen, die Geister der Vier Großkönige (mahā-rājika), die des Himmels der Dreiunddreißig (tāvatiṁsa), die Wachsamen Geister (yāmā), die Seligen Geister (tusita), die Schöpfungsfreudigen Geister (nimmāna-rati), die über die Schöpfungen der anderen verfügenden Geister (paranimmita-vasavatti).
Diese 11 Arten des Daseins zählen als die Daseinsebenen der Sinnessphäre (kāmâvacara).

1.3. Daseinsebene feinkörperliche Sphäre (rūpâvacara-bhūmi)
§ 101 Die Daseinsebene der Feinkörperlichen Sphäre ist 16-fach:


1.4. Daseinsebene unkörperliche Sphäre (arūpâvacara-bhūmi)
§ 102 Die Daseinsebene der Unkörperlichen Sphäre (arūpâvacara) ist vierfach:
  1. die Ebene des Raumunendlichkeitsgebietes (ākāsânañcâyatana),
  2. die Ebene des Bewusstseinsunendlichkeitsgebietes (viññāṇañcâyatana),
  3. die Ebene des Nichtsheitsgebietes (ākiñcaññâyatana),
  4. die Ebene des Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmungsgebietes
    (nevasaññā-nâsaññâyatana).


1.5. Zusammenfassung
§ 103 In den Reinen Gefilden (suddhâvāsa) finden sich niemals Weltlinge, Stromeingetretene und Einmalwiederkehrende (sondern nur Niewiederkehrende und dort zum Ziele der Heiligkeit Gelangte; s. B.Wtb.: anāgāmi).
Unter den Unbewussten Wesen (asaññā-satta; s. B.Wtb.) und in den Niederen Welten (apāya) finden sich keine Edlen (ariya: Stromeingetretene usw.).
In allen übrigen Welten aber finden sich Edle wie Nicht-edle (Weltlinge).




2. WlEDERGEBURT (paṭisandhi)
§ 104 Vier Arten der Wiedergeburt (eig. Des mit dem nächsten Dasein 'verbindenden' Bewusstseins):
• 2.1. in den Niederen Welten,
• 2.2. in der Glücklichen Daseinsfährte der Sinnessphäre,
• 2.3. in der Feinkörperlichen Sphäre,
• 2.4. in der Unkörperlichen Sphäre.

2.1. Wiedergeburt in den niederen Welten
§ 105 Hier funktioniert das, durch unheilsames Karma gewirkte indifferenz-verbundene, sog. Prüf-Bewusstsein (Geistbewusstseins- Element; Tab.I 56) im Empfängnismoment in der Niederen Daseinsebene als Wiedergeburtsbewusstsein und darauf als Unterbewusstsein, am Lebensende aber als Sterbebewusstsein, und dann bricht es ab. Dies ist die einzige Form der Wiedergeburt in Niederen Welten.

2.2. Wiedergeburt in der glücklichen Daseinsebene der Sinnessphäre
§ 106 Das durch heilsames Karma gewirkte indifferenz- verbundene sog. Prüfbewusstsein (Geistbewusstseins- Element; Tab.I 41) aber funktioniert nur bei blindgeborenen und ähnlichen Menschen und erdgebundenen verstoßenen Dämonen auf der Glücklichen Daseinsfährte der Sinnessphäre als Wiedergeburtsbewusstsein, Unterbewusstsein und Sterbebewusstsein. - Die 8 karmagewirkten Hauptklassen (Tab.I 42-49) aber funktionieren überall auf der Glücklichen Daseinsfährte der Sinnessphäre als Wiedergeburtsbewusstsein, Unterbewusstsein und Sterbebewusstsein. Diese 9 Formen der Wiedergeburt gibt es auf der Glücklichen Daseinsfährte der Sinnessphäre. Alle obigen 10 Wiedergeburten aber zählen als Wiedergeburt in der Sinnessphäre.
Hierbei nun gibt es keine feste Grenze für die Lebensdauer der 4 Niederen Welten, der Menschen und der verstoßenen Dämonen. Die Lebensdauer der Geister der 4 Großkönige aber beträgt 500 Himmelsjahre, d.i. nach menschlicher Zählung 9 Millionen Jahre, das Leben der Geister der Dreiunddreißig viermal mehr, das der Wachsamen Geister noch viermal mehr, das der Seligen Geister wiederum viermal mehr, das der Schöpfungsfreudigen Geister noch viermal mehr, das der über die Schöpfungen anderer verfügenden Geister wiederum viermal mehr, d.i. 9216 Millionen (Menschen-) Jahre.

2.3. Wiedergeburt in der feinkörperlichen Sphäre
§ 107 Das erste karmagewirkte Vertiefungsbewusstsein (Tab.I 57) funktioniert auf der 1. Vertiefungsebene als Wiedergeburt, Unterbewusstsein und Sterbebewusstsein, ebenso das 2. und 3. karmagewirkte Vertiefungsbewusstsein auf der 2. Vertiefungsebene, das 4. karmagewirkte Vertiefungsbewusstsein auf der 3. Vertiefungsebene, das 5. karmagewirkte auf der 4. Vertiefungsebene

Diese Einteilung in 4 Vertiefungsebenen geht auf die in den Sutten übliche Vierereinteilung der Vertiefungen und die diesen entsprechend erklärten 4 Daseinsebenen zurück.

Für die Unbewussten Wesen (asañña- satta) aber gilt bloß die Körperlichkeit (rūpa) als Wiedergeburt; auch während der Fortdauer sowie beim Abscheiden funktioniert bloß die Körperlichkeit und schwindet.

Wie man sich ein Wesen ohne jegliches Oberbewusstsein (und Unterbewusstsein?) vorstellen soll, geht über meine Begriffe hinaus.

Diese sechs Formen der Wiedergeburt gibt es in der Feinkörperlichen Sphäre.

Hierbei nun beträgt die Lebensdauer der Geister des Brahmagefolges 1/3 Äon (kalpa), die der Brahmaminister 1/2 Äon, der Großbrahmas 1 Äon, der Begrenzt-Leuchtenden 2 Äonen, der Unermesslich-Leuchtenden 4 Äonen, der Hell-Erstrahlenden 8 Äonen, der Begrenzt-Erglänzenden 16 Äonen, der Unermesslich-Erglänzenden 32 Äonen, der Ringsum-Erglänzenden 64 Äonen, der Verdienstgewaltigen und Unbewussten 500 Äonen, der Unerschütterlichen 1000 Äonen, der Ernsten 2000 Äonen, der Herrlichen 4000 Äonen, der Klarblickenden 8000 Äonen, der Gewaltigen 16.000 Äonen.

Die letzten 5 Wesensklassen bilden die 5 Reinen Gefilde {suddhâvāsa), in denen nur die Niewiederkehrenden wiedererscheinen.

2.4. Wiedergeburt in der unkörperlichen Sphäre
§ 108 Die karmagewirkten Bewusstseinsklassen der Unkörperlichen Sphäre ({txt_abhiS_11.html Tab.I} 62-65) funktionieren der Reihe nach in den Unkörperlichen Daseinsebenen als Wiedergeburtsbewusstsein, Unterbewusstsein und Sterbebewusstsein. Diese 4 Formen der Wiedergeburt gibt es in der Unkörperlichen Sphäre.

Hierbei beträgt die Lebensdauer der im Raumunendlichkeitsgebiet wiedergeborenen Geister 20.000 Äonen, der im Bewusstseinsunendlichkeitsgebiet wiedergeborenen 40.000 Äonen, der im Nichtsheitsgebiet wiedergeborenen 60.000 Äonen, der im Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmungsgebiet wiedergeborenen 84.000 Äonen.

In einem einzelnen Leben sind das Wiedergeburtsbewusstsein, Unterbewusstsein und Sterbebewusstsein von ein und derselben Kategorie, mit ein und demselben Objekt.




3. KARMA (kamma)
Karma (Sanskrit) bzw. kamma (Pāli), wörtl. 'Wirken', 'Tat', bezeichnet, genau genommen, den die Wiedergeburt erzeugenden oder beeinflussenden heilsamen oder unheilsamen Willen (kusala- oder akusala-cetanā) sowie die damit verbundenen geistigen Dinge. Dieser karmische Wille (kamma-cetanā) äußert sich in körperlichen Taten oder Worten oder bloß in Gedanken. Karma also bedeutet keineswegs auch das Ergebnis des Wirkens oder gar das Schicksal von Menschen oder ganzen Völkern, wie unter dem Einfluss der Theosophie die beinahe allgemeine Auffassung im Westen ist.
Näheres über Karma s. B. Wtb. Und Nyānatiloka, Karma und Wiedergeburt (aus: Grundlagen des Buddhismus), ferner Vis. XVII und XIX und L.d.B.

Zu unterscheiden ist:
•  3.1 Arten des Karma
•  3.2 Karma und Karmawirkung

§ 109 Man unterscheidet viererlei Karma (d.i. heilsame bzw. unheilsame Willenstätigkeit oder cetanā), und zwar:



3.1. Die Arten des Karma
3.1.1. Karma hinsichtlich der Funktionen
1. (Wiedergeburt-) Erzeugendes Karma (janaka-kamma),
2. Unterstützendes Karma (upattambhaka-kamma),
3. Unterdrückendes Karma (upapīlaka-kamma),
4. Zerstörendes Karma (upaghataka-kamma). Vis. 381 f.

[Im Vis. XIX. 6. heißt es:]
"Unter diesen mag das 'erzeugende' (janaka-kamma) heilsam oder unheilsam sein. Dasselbe erzeugt sowohl bei der Wiedergeburt als auch während des Lebensfortganges die körperliche Gruppe und die karmagewirkten unkörperlichen Gruppen.
Das 'unterstützende Karma' (upatthambhaka-kamma) indessen vermag keine Karmawirkung zu erzeugen; sondern, sobald durch ein anderes Karma die Wiedergeburt erwirkt und eine Karmawirkung erzeugt ist, unterstützt dieses Karma die aufsteigenden Freuden oder Leiden und erhält sie im Gange.
Das 'unterdrückende Karma' (upapīlaka-kamma) aber unterdrückt, sobald durch ein anderes Karma die Wiedergeburt erwirkt und eine Wirkung erzeugt ist, die aufsteigenden Freuden oder Leiden, verdrängt sie und läßt sie nicht länger fortbestehen.
Das 'zerstörende Karma' (upaghātaka-kamma) aber, einerlei ob selber heilsam oder unheilsam, zerstört ein anderes schwächeres Karma, hemmt seine Wirkung und lässt bloß seine eigene Wirkung zu. Ist nun durch das Karma diese Möglichkeit erwirkt, so gilt die Karmawirkung als eingetreten. "


3.1.2 Karma hinsichtlich der Reihenfolge der Wirkungen
§ 110
1. Schwerwiegendes Karma (garuka-kamma),
2. Todesnahes Karma (āsanna°),
3. Häufiges Karma (āciṇṇa°),
4. Aufgespeichertes Karma (kaṭattā°).
Vis. 381 f.
Kaṭattā (= katassa bhāvena 'infolge des Getanseins') bezeichnet solches Karma, das erst nach der nächsten Geburt durch eine Reihe von Geburten hindurch, wenn immer sich die Gelegenheit dazu bietet, seine Wirkungen hervorbringt. Es fällt unter Nr. 3 der nächsten Vierergruppe.

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Im Vis. XIX. 5. heißt es:
"Sei's heilsam oder unheilsam, was da das gewichtige und das nicht Gewichtige Karma anbetrifft, so gelangt das 'gewichtige Karma' (garuka-kamma), wie Muttermord usw. oder hochentfaltetes Karma, von diesen beiden zuerst zur Reife.
Ebenso auch gelangt, was das häufig geübte und das nicht häufig geübte Karma anbetrifft, das 'häufig geübte Karma' (bahula-kamma), wie guter oder böser Sittenwandel, zuerst zur Reife.
Was das 'sterbensnahe' (āsanna-kamma), zur Todesstunde ins Gedächtnis tretende Karma anbetrifft, an das der in der Nähe des Todes Befindliche sich erinnern mag, so wird derselbe durch eben dieses Karma wiedergeboren.
Das von diesen drei Karma-Aspekten unabhängige, immer wieder zur Ausübung gelangende Karma aber gilt als das 'aufgespeicherte Karma' (katattā kamma); in Abwesenheit jener drei anderen Karma-Arten, führt dieses die Wiedergeburt herbei. "



3.1.3. Karma hinsichtlich der Zeit der eintretenden Wirkung
§ 111
1. Bei Lebzeiten Wirkungen erzeugendes Karma (diṭṭha-dhamma-vedaniya-kamma),
2. Im nächsten Leben Wirkungen erzeugendes Karma (upapajja°),
3. In späteren Leben Wirkungen erzeugendes Karma(aparāpariya°),
4. Unwirksames Karma (ahosi-kamma). Vis. 380 f.

Im Vis. XIX. 4. heißt es:
Als das 'bei Lebzeiten reifende Karma' (ditthadhamma-vedanīya-kamma) aber gilt hierunter der von den 7 Bewusstseinsmomenten eines und desselben Impulsivprozesses zuerst aufblitzende karmisch heilsame oder unheilsame 'impulsive Willensmoment' (javana-cetanā); dieser erzeugt schon in diesem Dasein eine Wirkung.
- Vermag er das aber nicht, so gilt er als 'wirkungsloses Karma' (ahosi-kamma, wörtl. 'Karma welches war'), u. zw. aus drei Gründen: weil es dabei eine Karmawirkung nicht gab, gibt oder geben wird.
Als das 'im nächsten Leben reifende Karma' (upapajja(*)-vedanīya-kamma) aber gilt der seinen Zweck erreicht habende 7. impulsive Willensmoment; dieser erzeugt in dem unmittelbar folgenden Dasein eine Wirkung. Vermag er das aber nicht, so gilt er in der besagten Weise als 'wirkungsloses Karma'."



3.1.4. Karma hinsichtlich des Ortes der Wirkung
§ 112
1. Unheilsames Karma (akusala-kamma; an die Sinnessphäre gebunden),
2. Heilsames Karma der Sinnessphäre (kāmâvacara-kusala°),
3. Heilsames Karma der Feinkörperlichen Sphäre (rūpâvacara°),
4. Heilsames Karma der Unkörperlichen Sphäre (arūpâvacara°).


3.1.5. Unheilsames Karma (akusala-kamma)
§ 113 Hierunter nun ist das unheilsame Karma hinsichtlich der Karmatore dreifach:
1. körperliches,
2. sprachliches und
3. geistiges Karma.
Und in welcher Weise?
Da Töten, Stehlen und Ehebrechen meistens durch das, als körperliche Äußerung (kāya-viññatti) geltende, Körpertor (kaya-dvara) usgeübt wird, so bezeichnet man diese Tätigkeiten als körperliches Karma (kdya-kamma).
Da Lüge, Verleumdung, rohe Rede und leeres Geplapper meistens durch das als sprachliche Äußerung (vacī-viññatti) geltende Sprachtor (vacī-dvāra) ausgeübt wird, so bezeichnet man diese Tätigkeiten als sprachliches Karma (vacī-kamma).
Da Habgier, Übelwollen und üble Ansicht vielfach, ohne jede Äußerung, loß im Geiste ausgeübt wird, so bezeichnet man diese Tätigkeiten als geistiges Karma (mano-kamma).
Hierbei nun wurzeln (im allgemeinen) Töten, rohe Rede und Übelwollen im Haß (dosa), Ehebruch, Habgier und üble Ansicht in der Gier (lobha). Die übrigen 4 Tätigkeiten aber entspringen beiden Wurzeln. Hinsichtlich der Bewusstseinsklassen aber ist das unheilsame Karma insgesamt 12-fach (Tab.I 22-33).


3.1.6. Heilsames Karma (kusala-kamma)
3.1.6.1 Heilsames Karma in der Sinnessphäre:
§ 114 Auch gilt das
1. am Körpertor entstandene heilsame Karma als körperliches Karma,
2. das am Sprachtor entstandene als sprachliches und
3. das am Geisttor entstandene als geistiges Karma.
Dreifach ist dieses ferner mit Hinsicht
1. auf Almosengeben (dāna),
2. Sittlichkeit (sīla) und
3. Geistesentfaltung (bhāvanā).
Durch diese 3 Begriffe ist die gesamte buddhistische Praxis angedeutet. Darunter bilden Sittlichkeit (sīla) und Geistesentfaltung (bhāvanā) — letztere ist die Entfaltung der Sammlung (samddhi) und des Wissens (paññā) - die auch in den Sutten häufig gemachte Dreiteilung des Achtfachen Pfades: Sittlichkeit, Sammlung, Wissen.
Achtfach aber ist es mit Hinsicht auf die Bewusstseinsklassen (Tab.I 1-8),
zehnfach mit Hinsicht auf Almosengeben, Sittlichkeit, Geistesentfaltung, Ehrerbietung, Hilfsbereitschaft, Verdienstübertragung (patti-dāna; s. B.Wtb.), Freude am karmischen Verdienst anderer, Anhören der Lehre, Darlegen der Lehre, Geradheit in Ansichten.
Diese 20 Arten (12 unheilsame, 8 heilsame) des Karma (Willenstätigkeit) zählen als das Karma in der Sinnessphäre (kāmâvacara-kamma).

3.1.6.2 Heilsames Karma der feinkörperlichen Sphäre
§115 Das heilsame Karma der Feinkörperlichen Sphäre ist bloß geistiges Karma, ist durch Geistesentfaltung erzeugt (bhāvanā-maya) und hat den ekstatischen Zustand erreicht. Mit Hinsicht auf Einteilung nach den Vertiefungsgliedern ist es fünffach (Tab.I 9-13).

3.1.6.3 Heilsames Karma der unkörperlichen Sphäre
§ 116 Das heilsame Karma der Unkörperlichen Sphäre ist ebenfalls bloß geistiges Karma. Auch dieses ist durch Geistesentfaltung erzeugt, hat den ekstatischen Zustand erreicht. Mit Hinsicht auf die Objekte aber ist es vierfach (Tab.I 14-17).


3.2. Karma und Karmawirkung
3.2.1. Unheilsames Karma und Karmawirkung
§ 117 Unter diesen Arten des Karma nun erzeugt, außer der Aufgeregtheitsklasse (
Tab.I 33), alles übrige unheilsame Karma Wiedergeburt in den Daseinsebenen der Niederen Welten (apāya). Während des Lebensfortganges aber erzeugen dort alle 12 unheilsamen Arten die 7 durch unheilsames Karma gewirkten Bewusstseinsklassen (Tab.I 50-56), je nach den Umständen sowohl in der Sinneswelt als auch in der Feinkörperlichen Welt.
Man hat wohl vipācati (statt vipaccati) und sabbatthâ pi (statt sab-bathāpi) zu lesen.

3.2.2. Heilsames Karma in der Sinnessphäre und Karmawirkung
§ 118 Auch das heilsame Karma der Sinnessphäre (Tab.I 1-8) erzeugt Wiedergeburt bloß auf einer glücklichen Fährte der Sinneswelt, ebenso während des Lebens die 8 karmagewirkten Hauptbewusstseinsklassen (und zwar als, Registrierbewußtsein; Tab.I 42-49). Die dreiwurzellosen karmagewirkten Klassen (Tab.I 34-41) aber werden überall in der Sinneswelt und Feinkörperlichen Welt je nach den Umständen erzeugt. Vipaccati kann auch hier grammatisch nicht richtig sein.

Darunter aber erzeugt das dreiwurzelverbundene, stark entwickelte, heilsame Karma (Tab.I 1, 2, 5, 6) eine dreiwurzelverbundene Wiedergeburt (tihetuka-paṭisandhi, und zwar unter Menschen oder Himmelswesen; Tab.I 42, 43, 46, 47) sowie während des Lebens alle durch heilsames Karma bedingten 16 karmagewirkten Bewusstseinsklassen (Tab.I 34-49).
Ein schwach entwickeltes dreiwurzelverbundenes oder ein stark entwickeltes zweiwurzelverbundenes (bloß mit Gierlosigkeit und Hasslosigkeit verbundenes) heilsames Karma (Tab.I 3, 4, 7, 8) erzeugt eine zweiwurzelverbundene Wiedergeburt (dvihetuka-paṭisandhi; Tab.I 44, 45, 48, 49) sowie während des Lebens nur die nicht mit den 3 Wurzeln verbundenen (d.i. 4 zweiwurzelverbundene (Tab.I 44, 45, 48, 49) und 8 wurzellose (Tab.I 34-41) 12 karmagewirkten Bewusstseinsklassen (d.h. es fehlen hier von den oben erwähnten 16 Klassen die 4 dreiwurzelverbundenen; Tab.I 42, 43, 46, 47).
Ein schwach entwickeltes, zweiwurzelverbundenes, heilsames Karma erzeugt bloß eine wurzellose Wiedergeburt (ahetuka-paṭisandhi; d. i. als Idiot, Taubstummer, Blinder usw.; Tab.I 41) und während des Lebensfortganges bloß die (8) wurzellosen karmagewirkten Klassen (Tab.I 34-41).
Einige nun (wie Mahādhammarakkhita-Thera und seine Schule in Ceylon: A. Vibh.) halten dafür, dass weder eine spontane Karmaklasse (asankhdrika; Tab.I 1, 3, 5, 7) vorbereitete Klassen (sa-sankhārika; Tab.I 2, 4, 6, 8), noch auch eine vorbereitete Klasse spontane Klassen zur Wirkung haben könne, und behaupten daher, dass die heilsamen Klassen in der oben erwähnten Reihenfolge, je nach den Umständen, 12, 10 oder 8 (statt 16, 12, 8) karmagewirkte Klassen als Wirkung haben.

3.2.3. Karma in der feinkörperlichen Sphäre und Karmawirkung
§119 Wer aber die heilsame 1.Vertiefung der Feinkörperlichen Sphäre schwach entfaltet hat, erscheint unter den Geistern des Brahmagefolges wieder; wer sie mittelmäßig entfaltet hat, unter den Brahmaministern; wer sie stark entfaltet hat, unter den Großbrahmas.
Ebenso, wer die 2. und 3. Vertiefung schwach entfaltet hat, erscheint unter den Begrenzt- Leuchtenden Geistern wieder; wer sie mittelmäßig entfaltet hat, unter den Unermesslich- Leuchtenden; wer sie stark entfaltet hat, unter den Hell-Erstrahlenden.
Wer die 4. Vertiefung schwach entfaltet hat, erscheint unter den Begrenzt-Erglänzenden wieder; wer sie mittelmäßig entfaltet hat, unter den Unermesslich-Erglänzenden; wer sie stark entfaltet hat, unter den Ringsum- Erglänzenden.
Wer die 5. Vertiefung entfaltet hat, erscheint unter den Verdienstgewaltigen wieder; wer sie aber zwecks Loslösung vom Bewusstsein entfaltet hat, unter den Unbewussten Wesen (asañña-satta).
Die Niewiederkehrenden (anāgāmi) aber erscheinen in den Reinen Gefilden {suddhâvāsa) wieder.

3.2.4. Karma in der unkörperlichen Sphäre und Karmawirkung
§ 120 Diejenigen aber, die die heilsamen Zustände der Unkörperlichen Sphäre entfaltet haben, erscheinen in der entsprechenden Unkörperlichen Welt wieder.
Auf diese Weise erzeugt das übernormale heilsame Karma (der Feinkörperlichen und Unkörperlichen Sphäre), der erreichten Daseinsebene entsprechend, eine ähnliche Wirkung bei der Wiedergeburt und während des Lebens dort selbst.




4. STERBEN, WIEDERGEBURT UND UNTERBEWUSSTSEIN
4.1 Karma und Sterben
§ 121 Vier Anlässe des Sterbens gibt es:
1. Schwund der Lebenskraft,
2. Schwund des Karma,
3. Schwund von beiden,
4. zerstörendes Karma.
Dem solcherart Sterbenden aber ist zur Sterbezeit, kraft seines Karma, an einem der 6 Tore, den Umständen gemäß, eines von den folgenden Dingen gegenwärtig:

Auf eben dieses solcherart gegenwärtige Objekt gestützt, ist darauf die, dem reifenden Karma gemäß reine oder befleckte und dem zu erwartenden Dasein entsprechende, Bewusstseinskontinuität (citta-santāna) wiederholt und häufig dorthin geneigt.
Oder aber jenes wiedergeburterzeugende Karma funktioniert bloß an einem der Bewusstseinstore im Sinne einer neuen Tat.

Dem ganz nahe vor dem Tode Befindlichen steigt am Ende seines Bewusstseinsprozesses oder beim Schwinden des Unter-Bewusstseins, im Sinne des Abscheidens und das Ende des gegenwärtigen Daseins bildend, das Sterbebewusstsein (cuti-citta) auf und schwindet alsbald wieder. Unmittelbar nach seinem Schwinden aber und auf das so aufgefasste Objekt gestützt, entsteht und festigt sich im nächsten Dasein das Bewusstsein, das als Wiedergeburt (paṭisandhi, wörtl. 'Wiederverbindung') bezeichnet wird, 'weil es die Verbindung mit dem nächsten Dasein herstellt' (bhavantara-paṭisandhāna-vasena). Dieses Wiedergeburtsbewusstsein hat eine physische Grundlage (vatthu) oder auch nicht (letzteres im Unkörperlichen Dasein), ist gezeugt durch die in dem, je nach den Umständen, von Unwissenheit umgebenen Begehrenstrieb wurzelnden Karmaformationen und erweist sich durch seine Festigkeit als Führer aller der damit verbundenen, davon umfassten und damit zusammen entstehenden Geistesfaktoren.

4.2 Karma und Wiedergeburt
§ 122 Im Bewusstseinsprozess kurz vor dem Sterbemoment aber sind bloß fünf langsam funktionierende Impulsivmomente (javana) zu erwarten. Wenn aber während der Anwesenheit der in den Bewusstseinsbereich eingetretenen gegenwärtigen Objekte der Tod stattfindet, so bekommen auch die Wiedergeburt und das Unterbewusstsein das gegenwärtige Objekt. Somit erhält die Wiedergeburt in der Sinnessphäre ein, an einem der 6 Tore aufgefasstes, Abzeichen einer (früher begangenen) Tat (kamma-nimitta) oder ein Abzeichen der bevorstehenden Daseinsfährte (gati-nimitta) als gegenwärtiges oder zukünftiges Objekt.
Die Tat selber aber ist etwas Vergangenes und bloß im Geiste Aufgefasstes. All jene Dinge aber sind nur in begrenzten (der Sinnessphäre angehörenden) Dingen bestehende Objekte.
Das Objekt der Wiedergeburt (des Wiedergeburtsbewusstseins) in der Feinkörperlichen Sphäre (rūpâvacara) ist bloß ein (keine im höchsten Sinne (paramatthana) bestehende Wirklichkeit bezeichnender) Begriff von einem Abzeichen einer früheren Tat.

Ebenso auch ist bei Wiedergeburt in der Unkörperlichen Sphäre das Objekt, je nach den Umständen, ein Abzeichen einer früheren Tat, bestehend in einem übernormalen (mahaggata; den Vertiefungen angehörenden) Zustand oder einem Begriff (paññati).
Bei den Unbewussten Wesen (asañña-satta) erscheint als Geburt bloß die Vitale Neunergruppe (jīvita-navaka: festes Element, flüssiges Element, Hitze, Wind [Bewegung], Duft, Farbe, Geschmack, Nährstoff, physische Lebensfähigkeit; s. Teil VI). Daher bezeichnet man diese Wesen als 'von körperlicher Geburt' (rūpa-paṭisandhika), während die Unkörperlichen Wesen 'von unkörperlicher Geburt' (arūpa-paṭisandhika) sind. Alle übrigen aber sind 'von körperlich-geistiger Geburt' (rūpârūpa-paṭisandhika).

•  Nach dem Abscheiden aus den Unkörperlichen Welten (arūpa) wird man entweder wieder in einer ebensolchen oder einer höheren wiedergeboren, nicht in einer niedrigeren; oder man mag eine dreiwurzelverbundene Wiedergeburt in der Sinnessphäre (als einsichtiges Wesen) haben.
• Nach dem Abscheiden aus der Feinkörperlichen Welt (rūpa) aber ist einem keine wurzellose Wiedergeburt (ahetuka- paṭisandhi; als Idiot usw.) beschieden.
• Nach dem Abscheiden aus der Sinneswelt steht einem aufgrund der 3 Wurzeln (als einsichtigem Menschen) jede Wiedergeburt offen.

Alle übrigen Wesen aber werden bloß in der Sinneswelt wiedergeboren.

4.3 Karma und der unbewusste Lebensstrom (bhavanga-sota)
§ 123 Unmittelbar nach Verschwinden des Wiedergeburtsbewusstseins aber, bei den so zur Wiedergeburt gelangten Wesen, funktioniert, auf dasselbe Objekt gestützt, dieselbe Art des' Bewusstseins (als Unterbewusstsein) bis zum Aufsteigen des Sterbebewusstseins.

Solange nun kein (Ober-) Bewusstseinsprozess auftritt, solange bleibt der Seelenvorgang in Tätigkeit und 'eilt, gleichwie die Strömung eines Flusses, ungebrochen vorwärts' (abbhocchinnaṁ nadī soto viya pavattati). Diesen Seelenvorgang (mānasa) aber bezeichnet man deshalb als die Kontinuität des unterbewussten Lebensstromes (bhavanga), weil er die Grundlage des Daseins (bhavassa anga; wörtl. 'Grund oder Ursache des Daseins') bildet.

Beim Abscheiden am Lebensende aber wird das Unterbewusstsein zum Sterbe-Bewusstsein und erlischt darauf. Danach rollen Geburt usw. einem Wagenrad vergleichbar, auf diese Weise beharrlich immer weiter.

Der Bewusstseinstyp für Wiedergeburt, Unterbewusstsein und Sterben im nächsten Dasein wird bestimmt durch die unmittelbar vor dem Sterbebewusstsein im früheren Dasein stattgefundene karmische Willenstätigkeit (kamma-cetanā), braucht also keineswegs mit dem früheren Sterbebewusstsein identisch zu sein.


Wiedergeburt, Unterbewusstsein, Bewusstseinsprozess und Sterben, wie hier so in der nächsten Welt, und immer wieder neue Wiedergeburt, Unterbewusstsein usw.: so eilt diese geistige Kontinuität im Kreise herum. Die Weisen aber, die durch Betrachtung dieser Unbeständigkeit des Daseins die unsterbliche Stätte erreicht und alle Bande des Anhaftens völlig durchschnitten haben, diese rein Wandelnden werden schließlich zum Frieden gelangen.