ABHIDHAMMAṬṬHA-SAṄGAHA NEUNTER TEIL

9. KOMPENDIUM DER ÜBUNGSGEBIETE

Kammaṭṭhāna- sangaha

§ 212 Nunmehr will ich das zweifache Übungsgebiet zur Entfaltung von
• Gemütsruhe (samatha) und
• Hellblick (vipassanā)
der Reihe nach erklären.



1. ENTFALTUNG DER GEMÜTSRUHE (samatha-bhāvanā)
Im Kompendium der Gemütsruhe hat man zu unterscheiden:





A. Die 40 Übungsgebiete (kammaṭṭhāna)
§213 (a) Die 10 Kasinaobjekte sind:
  1. Erd-Kasina (pathavi-kasiṇa),
  2. Wasser-Kasina (apo°),
  3. Feuer-Kasina (tejo°),
  4. Wind-Kasina (vāyo°),
  5. Blau-Kasina (nīla°),
  6. Gelb-Kasina (pīta°),
  7. Rot-Kasina (lobita°),
  8. Weiß-Kasina (odāta°),
  9. Raum-Kasina (ākāsa°),
  10. Licht-Kasina (āloka°).


Kasina (vielleicht verwandt mit skr. Krtsna 'all, vollständig, gesamt') ist der Name für ein rein äußerliches Verfahren, die Sammlung zu entfalten und die Vertiefungen (jhāna) zu erreichen. Dieses besteht darin, dass man seine ungeteilte Aufmerksamkeit auf einen sichtbaren Gegenstand (parikamma- nimitta, Vorbereitendes Bild) konzentriert, etwa auf eine bunte Scheibe, einen Fleck Erde, einen Teich u. dgl., bis man schließlich einen geistigen Reflex sowohl bei offenen wie geschlossenen Augen wahrnimmt, das sog. Aufgefasste Bild (uggaha- nimitta). Indem man nun fortfährt, seine konzentrierte Aufmerksamkeit zu richten, entsteht das klare, unbewegliche Gegenbild (paṭibhāga- nimitta), und damit ist die Angrenzende Sammlung (upacāra- samādhi) erreicht. Indem man nun seine volle Aufmerksamkeit noch immer auf das Objekt gerichtet hält, erreicht man schließlich einen Zustand, wo es kein Sehen und Hören, keine körperlichen Eindrücke mehr gibt und alle Sinnestätigkeit ausgelöscht ist, nämlich den Zustand der ersten Vertiefung (jhāna).
In den Sutten wird als das 10. Kasina das Bewusstseinskasina genannt. Ausführlich werden diese Übungen behandelt in Vis. IV und V. Vgl. auch L.d.B.

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§ 214 (b) Die 10 Ekelobjekte (asubha) sind:
  1. eine aufgedunsene Leiche (uddhumātaka),
  2. eine blauverfärbte Leiche (vinīlaka),
  3. eine eiterbedeckte Leiche (vipubbaka),
  4. eine aufgespaltene Leiche (vicchiddaka),
  5. eine angenagte Leiche (vikkhāyitaka),
  6. eine umhergestreute Leiche (vikkhittaka),
  7. eine zerhackte und umhergestreute Leiche (hata-vikkhittaka),
  8. eine blutende Leiche (lohitaka),
  9. eine würmerbedeckte Leiche (puḷavaka),
  10. ein Knochengerippe (atthika).

Eine ausführliche Beschreibung dieser Übungen findet sich in Vis. VI.
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§ 215 © Die 10 Betrachtungen (anussati) sind:
  1. Betrachtung über den Erleuchteten (buddhanussati),
  2. Betrachtung über die Lehre (dhamma°),
  3. Betrachtung über die Jüngerschaft (sangha°),
  4. Betrachtung über die Sittlichkeit (sīla°),
  5. Betrachtung über die Freigebigkeit (cāga°),
  6. Betrachtung über die Himmelswesen (devatā°),
  7. Betrachtung über den Frieden (upasama°),
  8. Betrachtung über den Tod (maraṇa°),
  9. Betrachtung über den Körper (kāyagatā- sati),
  10. Betrachtung über Ein- und- Ausatmung (ānâpāna-sati).

Eine ausführliche Beschreibung dieser Übungen findet sich in Vis. VII-VIII.
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§ 216 (d) Die Unermesslichkeiten (appamaññā), auch 'Göttliche Zustände' (brahmā- vihāra) genannt, sind:
  1. Güte (mettā),
  2. Mitleid (karuṇā),
  3. Mitfreude (muditā),
  4. Gleichmut (upekkhā).
Eine ausführliche Beschreibung dieser Übungen findet sich in Vis. IX.
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€ Die 1 Wahrnehmung (sañña) ist:
die Wahrnehmung des Ekels der Nahrung (āhāre paṭikkūla-saññā). Ausführlich beschrieben in Vis. IX, 1.
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(f) Die 1 Analyse ist:
die Analyse der 4 Elemente. Ausführlich beschrieben in Vis. XI, 2.
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(g) Die 4 Unkörperlichen Gebiete (āruppā) sind:
  1. Raumunendlichkeitsgebiet (ākāsânañcâyatana),
  2. Bewusstseinsunendlichkeitsgebiet (viññāṇañcâyatana),
  3. Nichtsheitgebiet (ākiñcaññâyatana),
  4. Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmungsgebiet (nevasaññānâsaññâyatana).
Ausführlich beschrieben in Vis. X.
In der Darstellung von der Entfaltung der Gemütsruhe gibt es diese 40 Übungsobjekte.
Über die 40 Übungsobjekte vgl. auch L.d.B.



B. Für die 6 Menschenarten (carita) geeignete Übungen
§217 Was nun die verschiedenen Menschenarten anbetrifft, so eignen sich die 10 Ekelobjekte und die als Betrachtung des Körpers geltende Erwägung der (32) Körperteile für den Gieriggearteten, die 4 Unermesslichkeiten und die 4 Farbenkasinas für den Gehässiggearteten, Ein- und Ausatmung für den Verblendetgearteten und den Vieldenkerischgearteten, die 6 ersten Betrachtungen für den Vertrauensvollgearteten, die Betrachtung über den Tod und den Frieden sowie die Wahrnehmung des Ekels der Nahrung und die Analyse der 4 Elemente für den Einsichtsvollgearteten. Alle übrigen Übungsgebiete aber eignen sich für alle.

Hierbei ist von den Kasinascheiben eine große geeignet für den Verblendetgearteten, eine kleine für den Vieldenkerischgearteten.
Ausführliches hierüber s. Vis. III.
Als Tabelle dargestellt:
Gieriggeartetena. 10 Ekelobjekte
b. Betrachtung 32 Körperteile
Gehässiggeartetena. die 4 Unermesslichkeiten
b. die 4 Farbenkasinas
VerblendetgeartetenBetrachtung der Ein- und Ausatmung
VieldenkerischgeartetenBetrachtung der Ein- und Ausatmung
VertrauensvollgeartetenDie 6 ersten Betrachtungen:
1. Buddha
2. dhamma
3. sangha
4. sīla
5. cāga
6. devatā
Einsichtsvollgeartetena. die Betrachtung über den Tod
b. die Betrachtung des Friedens
c. die Wahrnehmung des Ekels der Nahrung
d. die Analyse der 4 Elemente




C. Erreichung der 3 Grade der Entfaltung der Sammlung
(samādhi-bhāvanā)
§218 Die drei Grade
  1. Was die 3 Grade der Geistesentfaltung anbetrifft, so wird bei allen Übungen die Vorbereitende Geistesentfaltung (parikamma- bhāvanā) erreicht.
  2. Bei den ersten 8 Betrachtungen, der Wahrnehmung des Ekels der Nahrung und der Analyse der 4 Elemente, bei diesen 10 Übungen mag die Angrenzende Geistesentfaltung (upacāra- bhāvanā) zustande kommen, nicht die Ekstatische.
  3. Bei den übrigen 30 Übungsgebieten aber mag die Ekstatische Geistesentfaltung (appanā-bhāvanā) eintreten.
  4. Unter den letzteren mögen die 10 Kasinas sowie Ein- und Ausatmung die 5 Vertiefungen herbeiführen, die 10 Ekelbetrachtungen und die Körperbetrachtung aber bloß eine Vertiefung; Güte, Mitleid und Mitfreude die 4 Vertiefungen, Gleichmut jedoch die 5 Vertiefungen.
Somit gibt es 26, die Vertiefungen der Feinkörperlichen Sphäre (rūpâvacara-jjbäna) herbeiführende Übungsgebiete. Die 4 Unkörperlichen Gebiete aber gelten als die Vertiefungen der Unkörperlichen Sphäre (arūpâvacara- jjhāna).
Ausführliches hierüber s. Vis. IV.



D. Die Erreichung der 3 Geistigen Bilder (nimitta)
§ 219 Von den 3 Geistigen Bildern aber mag man in jedem Fall, den Umständen entsprechend, der Reihe nach das Vorbereitende Bild (parikamma-nimitta) und das Aufgefasste Bild (uggaha-nimitta) erreichen. Das Gegenbild (paṭibhāga- nimitta) mag
bei den Kasinaübungen, den Ekelübungen, der Betrachtung der Körperteile und der Ein- und Ausatmung eintreten. Hierbei nämlich tritt aufgrund des Gegenbildes sowohl die Angrenzende als auch die Ekstatische Sammlung (appanā-samādhi) auf. Und in welcher Weise?

Wenn der Anfänger seine Aufmerksamkeit auf eine runde Erdscheibe oder ein anderes Objekt heftet, so nennt man dieses Objekt das Vorbereitende Bild iparikamma- nimitta).

Sobald aber dieses Bild fest im Geist aufgefasst und in den Bereich des Geisttores eingetreten ist und man es gleichsam mit den Augen zu sehen meint, so gilt dieses Objekt als das Aufgefasste Bild (uggaha- nimitta) die Geistesentfaltung aber festigt sich in der Sammlung.

Wenn aber hierauf in dem so Gesammelten, während er hinsichtlich dieses aufgefassten Bildes mit Hilfe der Vorbereitenden Sammlung der Geistesentfaltung hingegeben ist, das jenem genau entsprechende, aber von den Hemmungen befreite und als bloß geistiges Phänomen geltende, geistgezeugte Objekt ganz im Geist eingedrungen und gefestigt ist, so erklärt man das Gegenbild (paṭibhāga- nimitta) als entstanden. Von da ab nun gilt die von den Hemmungen freie, als die der Sinnessphäre angehörende Sammlung (kāmâvacara- samādhi) geltende, Angrenzende Entfaltung (upacāra- bhāvanā) als erwirkt.

Ausführliches hierüber s. Vis. IV.



E. Die Vertiefungen der Feinkörperlichen Sphäre (rūpâvacara-jjhāna)
§220 Wer darauf eben jenes Gegenbild vermittels der Angrenzenden Sammlung (upacāra- samādhi) gründlich übt, in dem festigt sich vollkommen die 1. Vertiefung der Feinkörperlichen Sphäre.
Hat er nun eben diese 1. Vertiefung in fünffacher Meisterschaft gemeistert - nämlich in Meisterschaft im Hinwenden der Achtsamkeit darauf, im Eintreten darin, im Entschluss, im Heraustreten daraus und in Selbstprüfung -, so treten nach
Überwindung der gröberen Vertiefungsglieder, wie Gedankenfassung usw., und durch Aufsteigen der subtilen Glieder, wie Diskursives Denken usw., in dem sich Anstrengenden der Reihe nach die übrigen Vertiefungen den Umständen gemäß auf.
Auf diese Weise mag also bei den (oben genannten) 22 Übungsgebieten, wie Kasinas usw., das Gegenbild erreicht werden. Unter den übrigen (18) sind die 4 Unermesslichkeiten (Güte usw.) abhängig von dem Begriff 'Wesen'.

Ausführliches hierüber s. Vis. IV.



F. Erreichung der 4 Unkörperlichen Gebiete (āruppa)
§ 221 Wer nun irgendeines der Kasinas, ausgenommen das Raumkasina, aufhebt und den dadurch entstandenen leeren Raum als etwas Unendliches zum vorbereitenden Objekt nimmt, dem steigt das 1. Unkörperliche Gebiet auf (d.i. das Raumunendlichkeitsgebiet: ākāsânañcâyatana).

Indem er aber das Bewusstsein des 1. Unkörperlichen Gebietes als etwas Unendliches zum vorbereitenden Objekt nimmt, steigt ihm das 2. Unkörperliche Gebiet auf (d.i. das Bewusstseinsunendlichkeitsgebiet: viññāṇañcâyatana).

Indem er nun aber den Bewusstseinszustand eben jenes 2. Unkörperlichen Gebietes, in dem Gedanken: 'Nichts ist da!', zum vorbereitenden Objekt nimmt, steigt ihm das 3. Unkörperliche Gebiet auf (d.i. das Nichtsheitgebiet: ākiñcaññâyatana).

Indem er sodann das 3. Unkörperliche Gebiet, in dem Gedanken: 'Dies ist der Frieden, dies das Erhabene!', zum vorbereitenden Objekt nimmt, steigt ihm das 4. Unkörperliche Gebiet auf (d.i. das Weder- Wahrnehmung- Noch- Nicht-wahrnehmungsgebiet: nevasaññānâsaññâyatana).



G. Erreichung der Angrenzenden Sammlung (upacdra-samādhi)
§ 222 Wer von den übrigen 10 Übungsgebieten (d.s. die 8 ersten Betrachtungen, die Wahrnehmung des Ekels der Nahrung und die Analyse der 4 Elemente) die Betrachtung der Tugenden eines Erleuchteten usw. zum vorbereitenden Objekt nimmt, in dem nimmt, sobald das Geistige Bild gut aufgefasst ist, die vorbereitende Übung an Sammlung zu, und die Angrenzende Sammlung (upacāra-samādhi) tritt ein.
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Anmerkung:




H. Erreichung der 5 Höheren Geisteskräfte (abhiññā)
§223 Nachdem man aus der, die Grundlage zu den Höheren Geisteskräften bildenden, 5.Vertiefung herausgetreten ist und sich auf seinen Entschluss konzentriert hat, nimmt man die zwecks der Höheren Geisteskräfte fortwirkende 5.Vertiefung der Feinkörperlichen Sphäre zum vorbereitenden Objekt, und dabei entsteht eines von den sichtbaren oder anderen Objekten, je nach den Umständen.
Fünf Arten höherer Geisteskräfte gibt es: die magischen Kräfte, das Himmlische Ohr, die Durchdringung der Gedanken anderer, Erinnerung an frühere Daseinsformen und das Himmlische Auge.

Die hier genannten 5 Höheren Geisteskräfte gelten als weltlich (lokiya), während die sechste, hier nicht genannte, überweltliche (lokuttara) Geisteskraft in der Triebversiegung (āsava- kkhaya) des Heiligen besteht.
Eine ausführliche Beschreibung der 5 Geisteskräfte gibt Vis. XII-XIII.




2. ENTFALTUNG DES HELLBLICKS(vipassanā-bhāvanā)
§ 224 Auf dem Übungsgebiet des Hellblicks hat man zu unterscheiden: die




A. Die 7 Stufen der Reinheit (satta-visuddhi; s. B.Wtb.)
§ 230 (1) Reinheit der Sittlichkeit (sīla-visuddhi)
Als solche gilt die vierfache lautere Sittlichkeit (catu-pārisuddhi-sīla):
  1. Zügelung in der Ordenssatzung (pātimokkha-samvara),
  2. Sinneszügelung (indriya-samvara),
  3. Lauterkeit des Lebenserwerbs (ājīva-pärisuddhi),
  4. Sittlichkeit mit Hinsicht auf die Bedarfsgegenstände (paccaya-sannissita-sīla).

Ausführlich beschrieben in Vis. I.
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§ 231 (2) Reinheit des Geistes (citta-visuddhi)
Als solche gelten die 2 Grade der Sammlung (samādhi).
Diese sind die Angrenzende Sammlung (upacāra-samādhi) und die Ekstatische Sammlung (appanā-samādhi) der Vertiefungen. Ausführlich in Vis. IV ff.
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§ 232 (3) Reinheit der Erkenntnis (diṭṭhi-visuddhi)
Als solche gilt die Erfassung des Geistigen und Körperlichen (nāma-rūpa) mit Hinsicht auf Merkmale, Wesen, Äußerung und Grundlage.
"Als Reinheit der Erkenntnis gilt das der Wahrheit gemäße Erkennen des Geistigen und Körperlichen, … jenes auf dem Boden der Unverblendung ruhende wahrheitsgemäße Erkennen, das auf vielerlei Weise das Geistige und Körperliche feststellt und den Glauben an eine Persönlichkeit überwunden hat." (Vis. XVIII)
Ausführlich in Vis. XVIII.
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§ 233 (4) Reinheit der Zweifelentrinnung (kankhā-vitaraņa-visuddhi).
Als solche gilt die Erfassung der Bedingungen für eben jene geistigen und körperlichen Dinge.
Ausführlich in Vis. XIX.
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§ 234 (5) Reinheit des Erkenntnisblicks mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad
(maggâmagga- ñāņadassana- visuddbi).
Als solche gilt das Feststellen der Merkmale des Pfades und Nichtpfades beim Untersuchen der 10 Hellblicktrübungen (eig. Anlässe dazu), wie des Lichtglanzes usw. Während man nämlich die so erfassten vergangenen, gegenwärtigen und künftigen Gebilde der 3 Daseinsebenen samt ihren Bedingungen nach Daseinsgruppen usw. in Gruppen geordnet zusammenfasst und dabei vermittels der untersuchenden Erkenntnis nach Zeitperioden, Kontinuität oder Augenblick die 3 Daseinsmerkmale erwägt, und zwar die Vergänglichkeit im Sinne von Auflösung, das Leiden im Sinne von Schrecken, das Unpersönliche im Sinne von etwas Wesenlosem, und bei eben jenen Gebilden vermittels der Erkenntnis des Entstehens und Hinschwindens mit Rücksicht auf Bedingung und Augenblick das Entstehen und Hinschwinden betrachtet, zu einer solchen Zeit entstehen in einem jene 10 Hellblicktrübungen, nämlich: Lichtglanz (obhāsa, Aura), Verzückung, Frieden, Entschlossenheit, Kraft, Glücksgefühl, Erkenntnis, Geistesgegenwärtigsein, Gleichmut und Lust.
Ausführlich beschrieben in Vis. XX.
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§ 235 (6) Reinheit des Erkenntnisblicks mit Hinsicht auf Fortschritt (paṭipadä-ñāṇadassana- visuddhi)
Als solche gelten die 9 Hellblickwissen (s. oben: 10 Hellblickwissen [2-10]), die ein solcher besitzt, der von jenen 10 hemmenden Hellblicktrübungen befreit ist und von der Erkenntnis des Entstehens und Hinschwindens ab bis zur Anpassungserkenntnis in der Reihe der Hellblickerkenntnisse fortschreitend die 3 Daseinsmerkmale betrachtet.
Ausführlich beschrieben in Vis. XXI.
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§ 236 (7) Reinheit des Erkenntnisblicks (ñāṇadassana- visuddhi)
Wer aber so fortschreitet, in dem kommt es aufgrund seiner Hellblicksreife, in dem Gedanken 'Jetzt wird die Erfüllung eintreten!', nach Durchbrechen des Unterbewusstseins, unmittelbar nach dem Aufmerken auf das Geisttor, zum Aufblitzen von 2 oder 3 Hellblickmomenten, die die Vergänglichkeit oder irgendein anderes Daseinsmerkmal zum Objekt haben und als Vorbereitung (parikamma), Angrenzung (upacāra) und Anpassung (anuloma) bezeichnet werden. Dieser den Gipfel erreicht habende Gleichmut hinsichtlich der Gebilde {sankhārupekkhā) wird, zusammen mit der Anpassungserkenntnis, als zum Aufstieg (Pfad) führende Erkenntnis bezeichnet.
Danach aber entsteht der Reifemoment (gotrabhū-citta), indem dieser, mit Nibbâna als Objekt, die Klasse der Weltlinge überwindet und die Klasse der Edlen erreicht. Unmittelbar darauf aber tritt das Pfadbewusstsein in den Erreichungsprozess ein, indem es die Leidenswahrheit (der 5 Daseinsgruppen) durchdringt, die Entstehungswahrheit (Begehren) überwindet, die Erlöschungswahrheit (Nibbāna) verwirklicht und die Pfadwahrheit (den Achtfachen Pfad) zur vollen Entfaltung bringt. Dann blitzen 2 oder 3 Fruchtmomente (Impulsivmomente) auf und schwinden alsbald wieder. Hierauf findet das Versinken im Unterbewusstsein statt. Von neuem aber wieder das Unterbewusstsein durchbrechend, treten die Rückblickerkenntnisse auf, und der Weise blickt zurück auf (das von ihm Verwirklichte, nämlich:) Pfad, Frucht und Nibbāna. Über die geschwundenen und die noch übrigen Leidenschaften aber mag er nachdenken oder nicht.
Der durch die 6 Stufen der Reinheit zu entfaltende vierfache Pfad (des Stromeintritts usw.) aber gilt als die Reinheit des Erkenntnisblicks.

"Als Reinheit des Erkenntnisblicks gilt die mit irgendeinem der 4 Pfade des Stromeintritts, der Einmalwiederkehr, Niewiederkehr oder Heiligkeit verbundene Erkenntnis." (Vis. XXII) Ausführlich beschrieben in Vis. XXII.



B. Die 3 Tore der Erlösung
§237
(a) Als das Erlösungstor der Leerheitsbetrachtung {suññatā-vimokkha-mukha) gilt hier die, von allem Haften an der Persönlichkeitsidee befreiende, Betrachtung der Leerheit (aller Daseinsphänomene).
(b) Als das Erlösungstor der Merkmallosen Betrachtung (animitta- vimokkha-mukha) gilt die, von allen geistigen Verdrehtheiten (Ewigkeitsidee, Persönlichkeitsidee usw.) befreiende, Betrachtung der Vergänglichkeit.
© Als das Erlösungstor der Wunschlosigkeitsbetrachtung (appaṇihita-vimokkha-mukba) gilt die, von allem Begehren und Verlangen befreiende, Betrachtung des Leidens.



C. Die dreifache Erlösung
§ 238
(a) Wenn also der zum Aufstieg (Pfad) führende Hellblick die Dinge als unpersönlich (anattā) erkennt, so gilt der Pfad als die Leerheitserlösung (suññata-vimokkba).
(b) Wenn er die Dinge als vergänglich (anicca) erkennt, gilt er als die Bedingungslose Erlösung (animitta-vimokkha).
© Wenn er die Dinge als Leiden (dukkba) erkennt, gilt er als die Wunschlose Erlösung (appaṇihita-vimokkha).
Somit erhält der Pfad aufgrund seiner Entstehung durch den Hellblick diese 3 Namen.
Ebenso erhält die Frucht (phala) aufgrund der durch den Pfad entstandenen Entfaltung die 3 Namen im Pfadprozess.
Im vollen Fruchtprozess aber wird bei den in oben besprochener Weise Hellblick Übenden jedesmal die entsprechende Frucht, sobald sie aufsteigt, eben aufgrund ihrer Entstehung durch den Hellblick, als Leerheitserlösung usw. bezeichnet.
Aufgrund ihrer Objekte und ihres gemeinsamen Wesens jedoch gelten überall und für alle diese 3 Namen in gleicher Weise.
Über B und C ausführlich Vis. XXI.



D. Die 4 überweltlichen Pfade
§ 239
(1) Nach Entfaltung des Pfades des Stromeintritts (sotâpatti-magga) und der Überwindung von Ansichten und Zweifelsucht aber gilt man als Stromeingetretener (sotâpanna), der dem Rückfall in die niederen Welten entronnen ist und höchstens noch siebenmal wiedergeboren wird.
(2) Nach Entfaltung des Pfades der Einmalwiederkehr (sakaddgāmi-magga) und äußerster Abschwächung von Gier, Hass und Verblendung gilt man als Einmalwiederkehrender (sakaddgāmi), der nur noch einmal zu dieser (Sinnes-) Welt
zurückkehrt.
(3) Nach Entfaltung des Pfades der Niewiederkehr (anāgāmi-magga) und restloser Überwindung von Sinneslust und Übelwollen gilt man als Niewiederkehrender (anāgāmi), der niemals mehr zu dieser Welt zurückkehrt.
(4)Nach Entfaltung des Pfades der Heiligkeit (arahatta- magga) und restloser Überwindung aller geistigen Unreinheiten gilt man als Heiliger, als Triebversiegter, als der in der Welt der höchsten Opfer Würdige.
Der (wiederholte) Eintritt in den Fruchtzustand steht allen in jedesmaliger Übereinstimmung mit der (vorher verwirk-lichten) eigenen Frucht überall offen.
Ausführlich in Vis. XXII.



E. Der Erlöschungszustand
§240 Der Eintritt in den Erlöschungszustand (nirodha-samdpatti) aber ist bloß den (die 9 Vertiefungszustände erreicht habenden) Niewiederkehrenden und Heiligen möglich. Ein solcher tritt zuerst in den übernormalen 2ustand jeder der 5 Vertiefungen der Reihe nach ein; und jedesmal erhebt er sich wieder daraus, indem er dabei die in der betreffenden Vertiefung vorhanden gewesenen Gebilde hier und da mit Hellblick betrachtet. So schreitet er fort bis zum Nichtsheitgebiet. Dann verrichtet er seine vorher zu erfüllenden Pflichten, wie das Fassen seiner Entschlüsse usw., und tritt darauf in das Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmungsgebiet ein, und nach 2 der Erreichung (dieses Vertiefungszustandes) angehörenden Impulsivmomenten bricht die Bewusstseinskontinuität ab. Darauf gilt er als in den Erlöschungszustand eingetreten.
Beim Heraustreten aus diesem Zustand aber steigt dem Niewiederkehrenden die Frucht der Niewiederkehr, dem Heiligen die Frucht der Heiligkeit auf, und zwar bloß einmal, und darauf findet das Versinken im Unterbewusstsein statt.
Darauf tritt die Rückblickerkenntnis in Tätigkeit.
Ausführlich in Vis. XXIII.