ABHIDHAMMAṬṬHA-SAṄGAHA DRITTER TEIL

KOMPENDIUM BESONDERER KATEGORIEN

Kicca-Saṅgaha

3. Kompendium über die Funktionen
[Es gibt cittas mit:
3.1 drei Funktionen - patisandhi-, bhavaṅga- und cuti-kicca
    3.1.1 bhavaṅga im Sinneswahrnehmungsprozess
    3.1.2 bhavaṅga als Bestimmungsgröße des geistigen Charakters
3.2 Aufmerk-Funktion - āvajjana-kicca
3.3 Funf Sinnes-Funktionen und Rezeptiv-Funktion - pañca-viññāṇa- und sampaṭicchana-kicca
3.4 Prüf-Funktion - santīraṇa-kicca
3.5 Feststell-Funktion - votthapana-kicca
3.6 Impulsiv-Funktion - javana-kicca
3.7 Registrier-Funktion - tadārammana-kicca
3.8 Funktionen nach Bewusstseinsklassen]

Einleitung:
§56 In der Kategorie der geistigen Funktionen kicca unterscheidet man 14 Funktionen:
In der Kategorie der geistigen Funktionen unterscheidet 14 Funktionen:

  1.  Wiedergeburtsbewusstsein (patisandhi-kicca)
  2.  Unterbewusstsein (bhavaṅga-kicca)
  3.  Aufmerken (āvajjana-kicca)
  4.  Sehen (chakku-viññana-kicca)*
  5.  Hören (sota-viññana-kicca)*
  6.  Riechen (ghana-viññana-kicca)*                                                        
  7.  Schmecken (jhiva-viññana-kicca)*
  8.  Körperempfindung (kaya-viññana-kicca)*
  9.  Rezipieren (sampaṭicchana-kicca)
10.  Prüfen (santīraṇa-kicca)
11.  Feststellen (votthapana-kicca)
12.  Impulsion (javana-kicca)
13.  Registrieren (tadārammana-kicca)
14.  Sterben (cuti-kicca)

* Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Körperempfindung = pañca-viññāṇa-kicca

Aufgrund der einzelnen Stadien aber, wie Wiedergeburtsbewusstsein, Unterbewusstsein, Aufmerken, Fünfsinnesbewusstsein usw., ist die Einteilung der Funktionen nach den einzelnen Stadien als zehnfach zu betrachten.

Nämlich:
1. Wiedergeburts-Funktion - patisandhi-kicca
2. Unterbewusstseins-Funktion - bhavaṅga-kicca
3. Aufmerk-Funktion - āvajjana-kicca
4. Fünffache Sinnesbewusstseins-Funktion - pañca-viññāṇa-kicca*
5. Rezeptiv-Funktion - sampaṭicchana-kicca
6. Prüf-Funktion - santīraṇa-kicca
7. Feststell-Funktion - votthapana-kicca
8. Impulsiv-Funktion - javana-kicca
9. Registrier-Funktion - tadārammana-kicca
10. Sterbe-Funktion - cuti-kicca
[*hier werden die Wahrnehmungsfunktionen zusammengefasst zu pañca-viññāṇa-kicca]


Abb. 3.-1 Einteilung des Bewusstseins nach zehn Stadien

[Jedes Stadium (thāna) steht genau für eine Position oder Platz in der Abfolge der Bewusstseinsmomente (cittas). Von den fünf sensorischen Funktionen - Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Körpersinn - kann nur jeweils eines in einem Stadium auftreten; eine sensorische Funktionen tritt zwischen den beiden Stadien (Positionen in der Abfolge) aufmerkenden Bewusstsein und rezeptierendes Bewusstsein auf.]

3.1 Wiedergeburts-, Unterbewusstsein- und Sterbefunktion (1, 2 u. 10)
3.1.1 Cittas, die die drei Funktionen ausführen können
(patisandhi-, bhavaṅga- und cuti-kicca)
§ 57 Unter diesen nun wird die Wiedergeburts-, Unterbewusstseins- und Sterbe-Funktion
von (einer der) 19 Bewusstseinsklassen verrichtet, nämlich:
  2 indifferenz-begleiteten, (sonst) die Prüf-Funktion verrichtender Bewusstseinsklassen 
    (Geistbewusstseins Element; § 60 [2, 3];Tab.I.  41, 56 im Anhang)
     [oder ahetuka-06 oder ahetuka-13 siehe Tabelle unten]
  8 karmagewirkten Haupt-Bewusstseinsklassen (mahā-vipāka
    (Tab.I. 42-49, im Anhang)
    [oder sobhana-09 bis sobhana-16; siehe Tabelle unten oder Tab.I* im Anhang]
  9 karmagewirkten Bewusstseinsklassen der Feinkörperlichen und Unkörperlichen Sphäre 
    (§ 14 f.; Tab.I. 57-65)
    [oder rūpa-06 bis rūpa-10 und arūpa-05 bis arūpa-08 siehe Tabelle unten]).
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[Die neunzehn bhavaṅga cittas sind in in der nachfolgenden Tabelle dargestellt:

19 cittas: nur ein citta von den 19 cittas führt lebenslang die 3 Funktionen (patisandhi, bhavaṅga und cuti) aus; welches citta auf die Funktionen geprägt wird hängt vom kamma des Vorleben ab:

1) ungünstige Wiedergeburt
    (ahetuka 7 oder 15)
2) normale Wiedergeburt z.B. als Mensch in glücklichen Daseinsebene der Sinneswelt
    (kāma-sobhana 9 bis 16)
3) Wiedergeburt in rūpa-Welt (rūpa 6 bis 10)
4) Wiedergeburt in arūpa-Welt (arūpa 5 bis 8)]


Abb. 3.1-1 Neunzehn mögliche Cittas, die die Funktionen Wiedergeburt, Unterbewusstsein und Sterbefunktion ausführen;]

Der durch das physische Sinnesorgan und das physische Sinnesobjekt bedingt entstehende sinnliche Bewusstseinsvorgang ist in Wirklichkeit ein äußerst komplexer Prozess, in welchem die einzelnen Bewusstseinsphasen in ungeheurer Geschwindigkeit aufeinander folgen und die oben aufgezählten Funktionen verrichten:

    1. Erregen und Schwinden des Unterbewusstseins,
    2. Aufmerken am Fünfsinnestor,
    3. Sehen (oder Hören, usw.),
    4. Rezipieren des Sehobjekts,
    5. Prüfen und Feststellen desselben,
    6. Impulsion,
    7. Registrieren.

Dies alles sowie das Sterbebe- und Wiedergeburtsbewusstsein wird deutlicher erklärt in der unten folgenden Besprechung des Unterbewusstseins.

Die grundlegende Bedeutung des Begriffs bhavaṅga als Arbeitshypothese zur Erklärung der buddhistischen Lehren der Wiedergeburt, Rückerinnerung usw., ist bis jetzt von den westlichen Forschern noch kaum erkannt worden.
Bhavaṅga (= bhavassa anga) wird erklärt als 'Untergrund oder Grundlage (anga = kārana) des Lebens oder Daseins', so dass ich den häufig vorkommenden Begriff bhavaṅga-sota als 'unterbewussten Lebensstrom' wiedergebe.

Dieser Begriff deckt sich also mit dem, was die meisten modernen Psychologen, wie Jung u. a., als 'Seele' und das 'Unbewusste' (weil uns nicht bewusst) bezeichnet haben, als das sine qua non alles Lebens überhaupt.
Bloß die kürzere Bezeichnung bhavaṅga (Lebensgrund) kommt im Kanon einige Male vor, und da auch nur in dem letzten Buche der philosophischen Sammlung, dem Paṭṭhāna, wird aber dort nirgends näher erklärt, sondern offenbar als bekannt vorausgesetzt. Dort heißt es z.B. (Tikapaṭṭhāna, II, Pañhavara 4): "Das bhavaṅga (d. i. bhavaṅga-citta) oder Unterbewusstsein ist für das Aufmerken āvajjana; nämlich am Geisttor oder Fünfsinnestor) eine Bedingung im Sinne von Kontiguität oder unmittelbarer Angrenzung" (§ 174; vgl. § 66).

Aus den im Kanon vorkommenden wenigen Stellen geht immerhin klar und unzweideutig hervor, dass schon darin zum Aufsteigen sowohl des Sinnesbewusstseins als auch des Geistbewusstseins das Unterbewusste als Bedingung vorausgesetzt wird. Wäre übrigens alles, was wir je gesehen, gefühlt, wahrgenommen, gedacht, innerlich und äußerlich erfahren und gewirkt haben, nicht ausnahmslos irgendwo und irgendwie registriert in dem, einer äußerst komplizierten Grammophonplatte vergleichbaren, Nervensystem oder im Unterbewussten oder Unbewussten, so könnten wir uns nicht einmal daran erinnern, was wir einen Augenblick vorher getan haben, wüssten überhaupt nichts von der Existenz anderer Wesen und Dinge, würden nicht Eltern, Freunde usw. kennen, könnten überhaupt nicht denken (da dies durch Vergleich mit früheren Erfahrungen bedingt ist), und unser Geist wäre eine vollkommene tabula rasa und leerer als der eines eben zur Welt gekommenen Säuglings, ja selbst eines noch im Mutterleib befindlichen Embryos.

Ausführlicheres über den unterbewussten 'Lebensstrom' (bhavan-ga-sota) findet man bloß in den Kommentaren, und da besonders im Visuddhi-Magga. In den Erklärungen über die Wiedergeburt und die übrigen oben aufgezählten geistigen Funktionen heißt es dort selbst (Vis. XIV):

"Sobald das (im Momente der Empfängnis im Mutterleib eingetretene) Wiedergeburtsbewusstsein geschwunden ist, tritt mit genau demselben Objekt (wie im Sterbe- und Wiedergeburtsbewusstsein) jedes mal das dementsprechende Unterbewusstsein (bhavaṅga-viññāṇa) auf, unmittelbar auf das betreffende Wiedergeburtsbewusstsein folgend und die Wirkung dieser und jener (unmittelbar vor dem Tode begangenen) Tat (kamma = karma, geistige Willenstätigkeit) darstellend. Und wiederum von neuem tritt ein weiteres ähnliches Unterbewusstsein auf. Solange nun kein anderes, die Kontinuität (santāna) des unterbewussten Lebensstroms unterbrechendes, (Ober-) Bewusstsein aufsteigt, solange tritt das Unterbewusstsein, der Strömung eines Flusses vergleichbar, selbst während des traumlosen Schlafes und anderer Zeiten immer wieder in derselben Weise unzählige Male auf. Auf diese Weise ist das fortgesetzte Auftreten jener Bewusstseinszustände in dem unterbewussten Lebensstrome zu verstehen."


3.1.1 bhavaṅga im Sinneswahrnehmungsprozess
Einwirkung auf Sinnesorgan: Sind aber, während die Kontinuität des Bewusstseinsstroms im Gange ist, die Sinnesfähigkeiten der Wesen zum Erfassen der Objekte tauglich geworden, so findet, sobald (z.B.) ein Sehobjekt in den Gesichtskreis getreten ist, durch das Objekt bedingt eine Einwirkung auf das sensitive Sehorgan (cakkhu-pasāda) statt.

[Die dann darauf folgende Sinneswahrnehmung lässt sich in acht Schritten darstellen:]
(1) Erregung des Bewusstseinsstrom:
Darauf erfolgt durch diese Einwirkung eine Erregung des Unterbewussten (bhavaṅga-calana).
(2) Aufmerken Fünfsinnestor (P=pañca-dvāra- āvajjana):
Sobald aber das Unterbewusstsein geschwunden ist, steigt das rein funktionelle Geist-Element (mano-dbātu; Tab.I. 70 [oder Sinnestorbewusstsein bzw. ahetuka-citta-16) auf, indem es, eben dieses Sehobjekt zum Objekt nehmend und das Unterbewusste durchbrechend, die Funktion des Aufmerkens (āvajjana) erfüllt.
(3) Sinnesbewusstsein (pañca-viññāna (C=cakkhu-viññāna):
Unmittelbar darauf steigt das entsprechende Geist-Element auf…, indem es das Objekt des Sehbewusstseins rezipiert (sampaṭicchana)…[akusala-vipāka-sampaṭicchana-citta (ahetuka-06) oder kusala-vipāka-sampaṭicchana-citta (ahetuka-13)]
(4) Rezeption des Objektes (Sp=sampaṭicchana):
Unmittelbar darauf steigt das entsprechende Geist-Element auf…, indem es das Objekt des Sehbewusstseins rezipiert (sampaṭicchana)… [akusala-vipāka-sampaṭicchana-citta (ahetuka-06) oder kusala-vipāka-sampaṭicchana-citta (ahetuka-13)]
(5) Prüfung des Objektes (St=santīraṇa):
Unmittelbar darauf das entsprechende Geist-Element…, das das, durch das Geist-Element rezipierte, Objekt des Sehnbewusstseins prüft (santīraṇa)… [akusala-vipāka-santīraṇa-citta (ahetuka-07) oder kusala-vipāka-santīraṇa-citta mit Freude (ahetuka-14) oder akusala-vipāka-santīraṇa-citta ohne Freude (ahetuka-15)]
(6) Feststellen des Objektes (V=votthapana):
Unmittelbar darauf das von Indifferenz begleitete, funktionelle, wurzellose Geistbewusstseins-Element, indem es eben jenes Objekt feststellt (votthapana)… [Geisttor-Bewusstsein oder kiriya-mano-dhatu-citta oder ahetuka-citta-16]
(7) Bewusstsein mit karmischer Impuls (I=javana):
Unmittelbar darauf… kommt es zum Aufblitzen von 6 oder 7 Impulsiv-momenten (javana)…
(8) Registrieren des Objektes (T=tad-ārammana):
Ist das Objekt sehr groß…, so kommt es 1- oder 2-mal zum Aufsteigen von irgendeiner der karmagewirkten Bewusstseinsklassen… oder des Geistbewusst-seins-Elements, indem dieses 'jenes Objekt' (tad-ārammana) des Impulsiv-Bewusstseins zum Objekt nimmt. Darum wird es als registrierendes (tad-ārammana) bezeichnet. [die Funktion Tad- ārammana wird von einem der drei santīraṇa-cittas oder eines der acht mahā-vipāka-cittas ausgeführt]


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Abb. 3.1.1-1: Sinneswahrnehmung am Beispiel eines Fünf-Sinnestor-Prozess mit großem Objekt;
B=Bhavaṅga, P=Pañcadvārāvajjana (Aufmerken 5 Sinnestore), C=Cakkhuviññāṇa (Sehen), Sp= Sampaṭicchana (Empfangen), St=Santīraṇa (Prüfen),V=Voṭṭhapana (Bestimmen), J=Javana (Erfahren mit kamma-Impuls), T=tad-ārammana (Registrieren)
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Nach Ablauf desselben tritt wiederum das Unterbewusstsein ein. Sobald das Unterbewusstsein aber wieder durchbrochen wird, entstehen von neuem das aufmerkende Bewusstsein usw.

Auf diese Weise besteht die auf Bedingungen gestützte Bewusstseinskontinuität (citta-santāna), indem unmittelbar auf das Unterbewusstsein (wie oben gezeigt) das Aufmerken entsteht, unmittelbar darauf das Sehbewusstsein usw. So tritt denn diese, im Sinne einer geistigen Ordnung (citta-niyāma), immer wieder von neuem auf, bis schließlich in einem Dasein dieses Unterbewusstsein versiegt. Das allerletzte Unterbewusstsein in einem Dasein nämlich wird wegen seines Schwindens als das Abscheiden (Sterbebewusstsein) bezeichnet.
Nach dem Abscheiden aber kommt von neuem die Wiedergeburt, nach der Wiedergeburt (d. i. dem Wiedergeburtsbewusstsein im Momente der Empfängnis) von neuem das Unterbewusstsein usw."


3.1.2 bhavaṅga als geistiger Charakter
Nach obigen Erklärungen gibt es in der Sinnessphäre 10 Typen von Unterbewusstsein [in der Sinnessphäre], nämlich:
[8 cittas:] die die Wirkungen (vipāka) der 8 karmisch- heilsamen Bewusstseinskategorien bildenden und diesen genau entsprechenden 8 Unterbewusstseinsformen (mahā-vipāka)(§ 11; Tab.I. §58 42-49 [oder sobhana-09 und sobhana-16 siehe Tabelle unten]);
[2 cittas:] ferner die durch (schwaches) heilsames und durch unheilsames Karma gewirkten (vipāka) und mit indifferentem Gefühl verbundenen zweifachen Geistbewusstseins-Elemente (kusala- und akusala-vipāka-santīraṇa-citta) (§ 8, 9; Tab.I. 41, 56 [oder ahetuka-07 und ahetuka-15).

Jeder dieser Unterbewusstseinszustände ist also mit genau denselben Geistesfaktoren verbunden wie der ihm entsprechende Ober-Bewusstseinszustand und bildet gewissermaßen eine ununterbrochene Wiederholung des, durch die allerletzte karmische Willenstätigkeit vor dem Sterben bedingten, Wiedergeburtsbewusstseins und wirkt dadurch bestimmend auf den Charakter des Menschen ein.
Die durch die 1. heilsame Bewusstseinsklasse erzeugte Unterbewusstseinsklasse ist demnach genau wie jene durch Freude und Wissen gekennzeichnet und verbunden mit allen 13 untrennbaren und 25 edlen Geistesfaktoren, nur dass die unterbewussten Zustände karmisch- neutral (avyākata) sind.

[Nur ein bhavaṅga-citta für das lebenslang die Funktion aus. Welches bhavaṅga-citta zutrifft entscheidet das unterschiedliche Kamma bzw. die Geburt:
1) Ungünstige Geburt/Kamma:
   (ahetuka 7 und ahetuka 15)
2) Günstige Geburt/Kamma: 8 mahā-vipāka-cittas
   (kāma-sobhana 9 bis 16)

Ein besonders günstiges bhavaṅga-citta ist das kāma-sobhana citta 9 mit Wissen und Freude und geformt durch alle 25 reinen Geistesfaktoren. Dieses bhavaṅga-citta ist eine starke Anlass-Bedingung für das entsprechende symmetrische Ober-Bewusstsein (kāma-sobhana citta 9).
Es gibt noch darüber hinaus 9 cittas mit Wiedergeburten in übernormalen Welten (rūpa-cittas und arūpa-cittas)]

[Abb. 3.-2 Zehn Typen von Cittas der Sinnessphäre, die die bhavaṅga-Funktion ausführen können;
(* Es gibt noch darüber hinaus 9 cittas mit Wiedergeburten in übernormalen Welten (rūpa-cittas und arūpa-cittas))]
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Es darf dabei wohl angenommen werden, dass dieser unterbewusste Lebensstrom von alle den früher erlebten äußeren Eindrücken und Umständen begleitet ist, vor allem aber von denen, die bei früher selber verübten besonders guten und bösen Taten anwesend waren.

Etwas widerspruchsvoll muss einen der Standpunkt der Kommentatoren anmuten, dass sie zwar die Anwesenheit von Gierlosigkeit (Uneigennützigkeit), Hasslosigkeit (Güte) und Unverblendung (Wissen) und anderer lauterer (zwar karmisch neutraler) Geistesfaktoren im Unterbewusstsein als möglich lehren, nicht aber in derselben Weise auch etwas den üblen Wurzeln und Geistesfaktoren Entsprechendes im Unterbewussten postulieren. Sicher immerhin ist es, dass das Fehlen der drei obigen guten Wurzeln usw., bei Anwesenheit der durch früheres böses Karma (Willenstätigkeit) bedingten wollüstigen und grausamen Erinnerungsbilder/und karmagewirkten unerwünschten Bewusstseinsobjekte (aniṭṭhārammana; s. Tab.I. 50-54), einen mächtigen Anlass (upanissaya) zum Bösen bildet. Denn Mangel an Uneigennützigkeit, Güte und Wissen mag bei Anwesenheit solcher Erinnerungsbilder und Sinnesobjekte sehr leicht zu Gier, Hass, Verblendung und den übrigen karmisch- unheilsamen Geistesfaktoren führen. –
Über den Bewusstseinsprozess vgl. auch § 10
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3.2 Aufmerk-Funktion (āvajjana-kicca)
§ 58 Die Aufmerk-Funktion ist von 2 Arten.

Diese sind:
(1) das Aufmerken am Fünfsinnestor (pañcadvārāvajjana), vollzogen durch das funktionelle Geist-Element (Tab.I. 70), bzw. dem ahetuka-citta-16 oder kiriya-citta 1 (ahetuka-16)
(2) das Aufmerken am Geisttor (manodvārāvajjana), vollzogen durch das indifferenz-verbundene funktionelle Geistbewusstseins-Element (Tab.I. 71) bzw. dem ahetuka-citta-17 oder kiriya-citta 2


[1) ahetuka-16 (Aufmerken Fünf-Sinnestor):
[Das Aufmerken am Fünfsinnestor (ahetuka-16) ist Teil des Sinnestor-Prozesses und erhält sein Objekt durch die Sinnestore (Seh-, Hör-, Geruchs-, Geschmacks- oder Körperorgan). Es führt erst dann seine Funktion aus, wenn das Sinnesobjekt das Sinnesorgan ausreichend stimuliert hat und der unbewuste Bewusstseinsstrom (bhanvanga) dadurch unterbrochen wurde. In diesem Fall steigt das rein funktionelle Sinnestorbewusstsein auf, indem es, eben dieses Objekt nehmend, die Funktion des Aufmerkens (āvajjana) aufführt und damit den Sinneswahrnehmungsprozess einleitet.

2) Ahetuka-17 (Aufmerken Geisttor):
Die Funktion des Aufmerkens durch das aufmerkende Geisttor-Bewusstsein (ahetuka-citta 17) ist Teil des Geisttor-Prozesses und erhält sein Objekt (Geistobjekt) direkt aus dem Geisttor (bhavaṅga) durch das Aufmerken am Geisttor.

Abb. 3.2.-1 Aufmerkendes Bewusstsein am Fünf-Sinnestor und Geiststor].


3.3 Fünfsinnes- und Rezeptiv-Funktion (4, 5) (pañca-viññāṇa- und sampaṭicchana-kicca)
§ 59 Jede dieser Funktionen (des Sehens, Hörens usw.) wird von 2 Bewusstseinsklassen vollzogen.
Das Sehen nämlich wird vollzogen
• von dem durch heilsames Karma gewirkten Sehbewusstsein (Tab.I 34),
• von dem durch unheilsames Karma gewirkten Sehbewusstsein (Tab.I 50).

Entsprechend ist es mit den Funktionen des Hörens, Riechens, Schmeckens, körperlichen Beeindruckens und des Rezipierens des Sinnesobjektes (sampaṭicchana, Tab.I 39, 55).
[Die Sinneswahrnehmung ist das Ergebnis (vipāka) des karmischen Wirkens. Je nach karmischen Wirken erfolgt eine Kategorisierung der Objekte als erwünscht oder unterwünscht und bestimmt damit den Sinneswahrnehmungsprozess mit den Funktionen des Sehens, Hörens, Riechens, Schmeckens und der Körperwahrnehmung:

1. Sehen (ahetu 1), Hören (ahetu 2), Riechens (ahetu 3), Schmeckens (ahetu 4) und der Körperwahrnehmung (ahetu 5): (akusala-vipāka) mit entsprechender Rezeption (sampaṭicchana =ahetu-6) als unerwünschtes Objekt

2. Sehen (ahetu 8), Hören (ahetu 9), Riechens (ahetu 10), Schmeckens (ahetu 11) und der Körperwahrnehmung (ahetu 12): (kusala-vipāka) mit entsprechender Rezeption als erwünschtes Objekt (ahetu 13).

Abb. 3.3.-1 Fünf-Sinnesfunktion (pañca-viññāṇa-kicca) und die Rezeption des Sinnesobjekts]



3.4 Prüf-Funktion (6) - (santīraṇa-kicca)
§ 60 Die Prüf-Funktion wird von 3 Bewusstseinsklassen vollzogen.
Diese sind:
1. das durch heilsames Karma gewirkte freude-begleitete Geist-Bewusstseins-Element
(Tab.I 40) oder ahetuka-14,
2. das durch heilsames Karma gewirkte indifferenz-begleitete Geistbewusstseins-Element
(Tab.I 41) oder ahetuka-15,
3. das durch unheilsames Karma gewirkte indifferenz-begleitete Geistbewusstseins-Element
(Tab.I 56) oder ahetuka-7.


[Nach der entsprechenden Rezeption des Objektes als erwünscht oder unerwünscht erfolgt die Prüfung des Sinnesobjektes mit unterschiedlich begleiteten Gefühlen in unterschiedlichen cittas:

a) bei heilsamem Kamma mit
   1. ahetuka-citta 14 mit begleiteter Freude (sukha-vedanā) oder
   2. ahetuka-ciitta 15; jedoch mit neutralem Gefühl (upekkha-vedanā)

b) bei unheilsamen Kamma mit
   3. ahetuka-citta 7 ausschließllich mit neutralem Gefühl begleitet

Abb. 3.4-1 Bewusstsein und die dreifache Prüffunktion im Sinneswahrnehmungsprozess]


3.5 Feststell-Funktion (7) (votthapana-kicca)
§ 61 Die Feststell-Funktion wird vollzogen von dem (-selben Geistbewusstseins-Element wie das) Aufmerken am Geisttor (Tab.I. 71).

[Nachdem der Kette von Funktions-cittas wie Aufermerken am Objekt=> Sinneswahrnehmung des Objekts => Rezeption des Objekts
=> Prüfung des Sinnesobjektes durchlaufen wurde,

kann das Objekt erst durch ein karmisch-neutrales Geistbewusstseins-Element (kiriya-manoviññana-dhatu) oder kirya-2-citta bestimmt werden.

Es handelt sich dabei um das gleiche Bewusstsein, das im Geistprozess das Aufmerken am Geisttor vollzieht, diesmal jedoch mit einer anderen ausführenden Funktion des Bestimmens des Sinnesobjektes (V=votthapana); diese Funktion wird ausschließlich im Sinnestorprozess, d.h. nicht im Geistprozess vollzogen. Das Bestimmen des Objektes stellt den Abschluss eines nicht karmisch wirkenden bzw. passiven Teil des Sinnestorprozesses dar - ohne Kamma-Impulse.


Abb. 3.5-1 Bewusstseinselement (kiriya-2) mit Feststellfunktion im Sinnestorprozess]


3.6 Impulsiv-Funktion (8) (javana-kicca)
§ 62 Die Impulsiv-Funktion wird vollzogen von 55 Bewusstseinsklassen, d.i. den heilsamen und unheilsamen Bewusstseinsklassen, sowie den überweltlichen Früchte und den funktionellen Bewusstseinsklassen, außer den 2 Aufmerkbewusstseinsklassen (Tab.I 70, 71).

Dies sind, genau gesagt:
21 heilsame (kusala) Bewusstseinsklassen (Tab.I. 1-21),
12 unheilsame (akusala) Bewusstseinsklassen (Tab.I. 22-33),
 4 Früchte (phala) ( Tab.I. 66-69), 
18 karmisch- unabhängig funktionierende Bewusstseinsklassen (Tab.I. 72-89)
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55 Bewusstseinsklassen.




Abb. 3.6-1 55 Bewusstseinsklassen mit Impulsionsfunktion (J=javana)
[Kammische Willensimpulse gibt es nicht in vipāka-cittas und ahetuka-cittas (Ausnahme: lächelndes Bewusstsein des arahats)]

Javana (< javati, antreiben, impellere), 'Impulsion', nennt man die im Bewusstseinsprozess aufblitzenden karmischen Willensmomente (kamma- cetanā), von denen, nach den Kommentaren, meist bis 7 entstellen. Die durch Rhys Davids eingeführte und überall akzeptierte Übersetzung mit 'apperception' ist durchaus verfehlt.


3.7 Registrier-Funktion (9) (tad-ārammana-kicca)
§ 63 Die Registrier-Funktion wird vollzogen von den 8 karmage-wirkten Hauptbewusstseinsklassen und den 3 (auch die) Prüf-Funktionen (vollziehenden Geistbewusstseins-Elementen), also von 11 Bewusstseinsklassen.

Dies sind also:

  8 karmagewirkten Hauptbewusstseinsklassen (Tab.I 42-49),
  3 Geistbewusstseins-Elemente (Tab.I 40, 41, 56)
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11 Bewusstseinsklassen.

[Die Registrierfunktion wird mit einem Nachklingen verglichen, also mit einem Teil des Prozesses, der erst am Ende der Kette erfolgen kann, wenn das Sinnesobjekt bestimmt und auf das Objekt karmische Impulse erfolgt sind.
Die Funktion des Registrierens kann sowohl im Sinnestor-Prozess als auch im Geisttor-Prozess erfolgen und wird im Sinnestor-Prozess von einem der drei ahetuka-cittas wahrgenommen, die auch die Prüfung des Sinnesobjektes vollzogen haben (ahetuka-citta 7 bei akusala-vipāka oder ahetuka-citta 14 oder 15 bei kusala-vipāka).

Außerdem ist es möglich, das eines der mahā-vipāka-cittas die Funktion des Registrierens im Sinnestor- als auch im Geisttor-Prozess ausführt.

Abb. 3.7-1 11 Bewusstseinsklassen mit Registrier-Funktion: ahetuka-07, ahetuka-14, ahetuka-15 und kāma-sobhana-09 bis kāma-sobhana-16].


3.8 Funktionen und die dazugehörigen Bewusstseinsklassen
§ 64 Mit Hinsicht auf die Funktionen dieser Bewusstseinsklassen gilt folgendes:


Alle übrigen (68) Bewusstseinsklassen aber verrichten jedesmal nur eine ihrer Natur entsprechende Funktion



Abb. 3.8-1 . Bewusstsein mit Anzahl von Funktionen


ZUSAMMENFASSUNG
§65 Wiedergeburt usw. gelten als die 14 Bewusstseinsfunktionen. Nach Einteilung in Stadien jedoch bilden diese bloß 10 Bewusstseinsstadien.

68 Bewusstseinsklassen haben 1 Funktion und 1 Stadium.
  2 Bewusstseinsklassen haben 2 Funktionen und 2 Stadien.
  9 Bewusstseinsklassen haben 3 Funktionen und 3 Stadien.
  8 Bewusstseinsklassen haben 4 Funktionen und 4 Stadien.
  2 Bewusstseinsklassen haben 5 Funktionen und 5 Stadien.
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89 Bewusstseinsklassen



Verweis auf weitere besondere Kategorien:
1. Gefühl (vedanā),
2. Wurzelbedingungen (hetu),
3. Funktionen (kicca),
4. Bewusstseinstore (dvāra),
5. Objekte (ārammana),
6. physischen Grundlagen(vatthu)